Gedankensplitter

Gefühlsrafting

Wie viele andere Menschen auch verspürte ich früher den Drang, mein Leben nach allen Seiten abzusichern. Ich habe mir Versicherungen, Kredite und sogar eine Eigentumswohnung („In 150 Jahren gehört die dann doch mir!“) aufschwatzen lassen. Ich habe so manches Jobangebot ausgeschlagen, weil ich dafür meine Komfortzone hätte verlassen müssen. Sicherheitshalber habe ich mir einen Regenschirm eingepackt, obwohl in der Früh die Sonne schien … und in der Liebe musste ohnehin alles wunderschön sein.

Das Leben wäre aber nicht das Leben, würde es nicht irgendwann einmal rufen: „Hurra, da bin ich – schön, dich kennenzulernen!“ Auf einmal kommt die Finanzkrise daher, es sterben Menschen und dazwischen wird man noch schnell einmal krank.
Ich lernte, dass die einzige Konstante die Veränderung ist. Dass nichts, aber auch wirklich gar nichts so bleibt, wie es ist. Ganz gleich, wie magisch ein Moment auch sein mag, wir werden ihn niemals reproduzieren können, geschweige denn konservieren. Nichts bleibt, wie es ist – ein universelles Gesetz.
Dieses Gesetz besagt zudem, dass Glück zwar vergehen wird, jedoch genauso gut wiederkehren kann. Anfangs wollte ich kreischend davonlaufen, wenn ich Sätze wie „Vertrau dem Fluss des Lebens“ oder „Lass es fließen, gib die Kontrolle ab, sei einfach“ hörte. Nein, so bin ich wirklich nicht gebaut.

Wie aus dem Nichts schenkte mir die reine Vorstellung davon, wie unglaublich entspannend so eine gewisse Passivität sein müsste, allerdings eine nahezu obszöne innere Ruhe. Plötzlich erschien mir genau das erstrebenswert: mal einen kurzen Seitenblick auf diese gefürchteten Veränderungen werfen. Sie existieren ohnehin, also kann ich auch einfach mal hinschauen. Letztlich ist es nämlich völlig ausgeschlossen, dass das Leben mir Schlechtes will.

Wenn ich davon überzeugt bin, kann mir im Grunde nichts mehr passieren. Dann bin ich sicher, aber so was von sicher – und damit beißen sich Finanzberater und Versicherungsvertreter an mir die Zähne aus. Ach, die Eigentumswohnung habe ich übrigens mittlerweile verkauft. Ich möchte frei sein, denn wer weiß, wohin der Wind mich weht? Ich will mit leichtem Gepäck reisen und dem Herzen an den Ort folgen, den es sich ausgesucht hat.

Am schönsten war diese Erkenntnis aber in Sachen Liebe.

Herzschmerz kann Tiefen erreichen, die nur knapp am Erdkern vorbeischrammen. Da wüten Stürme im Außen, Menschen sperren unvermittelt das Herz zu oder verabschieden sich gleich endgültig … oder man selbst haut ab.

Hunderte Umstände zerren unentwegt an der Nussschale, in der du dich durch dieses Leben bewegst, oder gar an dem Menschen, der neben dir sitzt. Das Boot gerät davon natürlich kurz ins Schlingern, doch es sinkt nicht. Es schützt die beiden, die Kurs auf ihre Seele nehmen. Tapfer nimmt es wieder Fahrt auf und trotzt weiteren Turbulenzen. Leben passiert dir, dagegen bist du in gewisser Weise machtlos.
Okay, Schwimmwesten kann man tragen, aber ob sie wirklich notwendig sind …?

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