Es gab da einmal ein Zitat des Dalai Lama, das tausendfach in den sozialen Netzwerken geteilt wurde. Es ging in etwa darum, dass die Welt keine weiteren erfolgreichen Karrieremenschen mehr brauche, sondern solche, die heilend, liebend und kreativ wirken.
In den letzten Jahrzehnten schien es wahnsinnig erstrebenswert, sich in die Wirtschaft einzubringen, an der Börse, in der Finanzberatung oder im Bankwesen erfolgreich zu sein. Gecoacht und ausgebildet, um Geld zu vermehren – gezielt manipulativ, was das Spiel mit Wünschen und Ängsten angeht. Das Wohl der Welt tritt in den Hintergrund, dafür bist du als Anzugträger jemand. Nur … wer, bitte?
Handwerk und Kunst galten insgesamt als weniger prestigeträchtig bzw. brotlos und illusorisch-naiv. Wie schade und wie kurz gedacht, sind die einen doch diejenigen mit den goldenen Händen, die uns das alltägliche Leben überhaupt erst ermöglichen, und die anderen jene, welche uns Freude und unvergessene Momente bescheren. Jene, die in uns eine Leitung legen, damit wir mit der eigenen Gefühlswelt in Kontakt treten können.
Nicht, dass ich hier die große Expertin mimen möchte. Ich will auch keine Vorurteile bedienen … aber benötigt jemand von uns im Alltag tatsächlich Börsenspekulation? Oder reicht dir der Typ im Anzug die Hand, wenn du strauchelst? Beeinflussen die Aktienkurse deinen augenblicklichen Gemütszustand? Ich denke nicht – außer natürlich, du hast an der Börse spekuliert. Nebenbei spricht nichts gegen eine stabile Existenzsicherung, nur muss der Mensch eben ständig übers Ziel hinausschießen.
Es war der Duft des frisch gebackenen Brotes vom Bäcker um die Ecke, der dir den heutigen Morgen versüßt hat. Es war ein Mechaniker, der dein Auto zum Fahren überredet hat. Dank seiner Kompetenz hast du es doch noch pünktlich zur Verabredung mit deiner besten Freundin geschafft. Aber das ist noch nicht alles.
Wie oft schon hat ein Pianist im Konzertsaal dein Herz berührt, ein Schauspieler dich zum Lachen gebracht, ein Buch oder auch nur eine besonders gelungene Textpassage dir die Tränen in die Augen getrieben und Hoffnung lebendig gemacht? Warum gibt man Künstlern das Gefühl, sie würden keinen wertvollen Beitrag zum Weltgeschehen leisten? In meinen Augen sind sie systemrelevant – oder lasst es mich folgendermaßen ausdrücken: relevant, um an Anmut, Schöpferkraft und menschliche Regungen zu erinnern.
Dann sind da noch die Heiler, jene, denen es am Herzen liegt, Menschen von Schmerzen auf jedweder Ebene zu befreien.
Vergessen wir auch nicht auf die Liebenden. Ich bin sogar versucht zu sagen, dass die Liebenden die Wichtigsten von allen sind. Liebe hat es nicht nötig, mit Ängsten zu spielen und künstlich Sehnsüchte zu erzeugen. Liebe muss auch keinen Anzug tragen. Liebe braucht keinen Grund, denn sie hat selbst keinen. Ich glaube, wer liebt, verliert nicht. Für mich ist das ausgeschlossen.
Ja, der Mensch empfindet eine perverse Lust, wenn er die falschen Götzen anbetet. Ein Übermaß an Erfolg kommt jedoch immer auch mit der Angst, all seinen Wohlstand wieder zu verlieren. Gäbe es mehr Anpacker, Hingucker, Zuhörer, geistig Anwesende und in die Liebe Vernarrte, womöglich würden wir eine Ahnung von Zufriedenheit bekommen …