Gedankensplitter

Lob und Kritik

„Die Menschen lassen sich lieber durch Lob ruinieren, als durch Kritik verbessern.“
(George B. Shaw)

Das liegt vermutlich daran, dass wir Kritik als Liebesentzug empfinden. Du kritisierst mich, also wertest du mich ab. Das ist die Schlussfolgerung, die viele von uns daraus ziehen. Ich bin nicht liebenswert, ich genüge nicht, ich kann nichts. Ich bin ein Nichts.

Lob dagegen geht runter wie Öl. Sei es nun berechtigt für unsere Talente und Dinge, die wir erschaffen, oder einfach nur Schmeichelei – da machen wir kaum einen Unterschied.
Lob bleibt Lob und fühlt sich einfach wunderbar an. Es bedient eine kleine Sucht in uns, da mag es doch kommen, woher es mag.

Ich finde beides wichtig. In gesunden Dosen.

Einen Menschen permanent auf ein Podest zu stellen, kann ihn hochmütig und realitätsfern werden lassen. Wird das Ego immer nur gestreichelt, kann es sich zum Höllenhund entwickeln. Wie bei jeder Sucht braucht der Mensch mit der Zeit mehr Stoff, also erwartet er, dass ihm gebührend applaudiert wird. Mit der Zeit wird er wahrscheinlich beginnen, nur noch nach seinem eigenen Maßstab zu urteilen, und Bedürfnisse und Meinungen anderer werden ihm eher banal und unwichtig erscheinen.
Die Kehrseite ist, dass gesundes Lob, wenn es wirklich angebracht ist, einen Menschen anspornen kann, ihm Flügel verleihen kann. Wenn jemand etwas richtig gut macht, dann sollte man sich nicht scheuen, ihm das auch kund zu tun. Er hat es verdient, und es wird ihn animieren, seine Begabung und seine guten Charaktereigenschaften weiter zu verfeinern. Ein Kompliment zu machen ist wie Schenken: Der Gebende empfindet ähnliches Glück.

Ähnlich verhält es sich mit Kritik.
Kritisiert man jemanden ständig und wegen jeder Bagatelle, erkennt seine Leistungen und Bemühungen nicht an, dann finde ich das respektlos und herabwürdigend. Es wird der Tag kommen, wo er genug davon hat und sich abwendet, um dem zu entgehen.
Gesunde Kritik, zum richtigen Zeitpunkt mit Empathie serviert, kann dem anderen auf seinem Weg zur Entfaltung und Weiterentwicklung seiner Talente und seiner Persönlichkeit helfen.
Vielleicht fühlt sie sich im Moment selbst wie eine bittere Pille an, aber wenn man es dann schafft, sich zu fragen, ob etwas Wahres daran sein könnte, kann es einen unter Umständen weiterbringen. Dann hat man ganz viel verstanden.

Wie in so vielem: Wählen wir die goldene Mitte.
Sparen wir nicht mit Lob, wenn wir sehen, dass wer sich bemüht und etwas Tolles auf die Beine stellt.
Wenn wir angebrachte Kritik sanft und wertschätzend darbringen können, dann wird auch uns das unglaublich voranbringen.

Denn beide Äußerungen, ob Kritik oder Lob, sind besser als gar nichts zu sagen. Beharrliches Schweigen kann für uns Menschen eine unerträgliche Form einer Antwort sein. Ich empfinde Stress, wenn ich auf Reaktion und Resonanz hoffe und das Gegenüber schaut mich bloß leer an, zuckt im schlimmsten Fall noch mit den Schultern – in solchen Augenblicken könnte ich verloren gehen.
Wir sind kommunikative Wesen, die auf ein Gegenüber angewiesen sind. Auch wenn wir viel im Leben mit uns selbst aushandeln können und auch sollen – wir sind abhängig von der Reaktion anderer, ob wir das wahrhaben wollen oder nicht.
Ihr braucht nur einmal das starke Spiel der Spiegelneuronen zu beobachten, wie sehr wir mit unseren Mitmenschen in Verbindung treten …


4 Kommentare zu „Lob und Kritik

  1. Hallo

    Ich muß jetzt Kritik üben, in deinem letzten Text über Tiere schreibst du von Drill und Überforderung in Hundeschulen.
    Das kann ich so nicht stehen lassen.
    Meine Hündin liebte es über alles dort hin zu fahren, auch ist ein abgerichteter und sozialisierter Hund entspannter, ruhiger und gelassener…….
    Da hat wohl jeder seine ganz eigenen Erfahrungen mit dem Thema gemacht.

    Aber Ehre wem Ehre gebührt, ich lese immer gerne deine Texte und sie beschäftigen mich oft weit über’s Lesen hinaus.

    Vielen Dank dafür

    Sepp

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