Berühmte Menschen aus Kunst, Film, Musik, Schriftstellerei...

Pippi Langstrumpf

Wir haben alle unsere Helden der Kindheit, Alice im Wunderland, Harry Potter, von mir aus E.T.
Meine war eindeutig Pippilotta Viktualia Rollgardina Pfefferminz Efraimstochter Langstrumpf (soviel Zeit muss sein), kurz und besser bekannt als Pippi. Ich habe sie mit zärtlicher Hingabe lieb gehabt, alle Bücher verschlungen, die Filme und natürlich die weltbekannte Serie gesehen. Wie oft habe ich versucht, meine dunklen Zöpfe in die Waagrechte zu befördern, ich konnte nicht verstehen, wie Pippi bloß ihre Frisur hinkriegte.

Pippi Langstrumpfs Weisheiten bedienen sich mittlerweile selbst Psychologen und Mentalcoaches. Da werden Pippi-Zitate bemüht, die den heute gängigen Slogans der florierenden Lebensberatung sehr ähneln.
Sie sind aber auch zu gut! Was sie so besonders macht, ist, dass sie mit einer anmutigen Selbstsicherheit aus ihr kommen. Das Mädchen mag sich einfach, ohne den Hauch von Narzissmus. Pippi ist stark, nicht nur körperlich, weil sie ihr Pferd „Kleiner Onkel“ in die Höhe stemmen kann. Sie ist mutig, kreativ, ein Freigeist, der sich um keine Konventionen kümmert, dabei jedoch von einem ausgesprochenen Gerechtigkeitssinn geprägt ist. Ihr Auge für die Umwelt und für ihre Mitmenschen ist gestochen scharf, und niemals, wirklich NIEMALS würde sie einem Menschen willentlich schaden.
Mit Kleingeistern, Machtmenschen und charakterlich fragwürdigen Zeitgenossen verfährt sie nicht zimperlich, übertritt aber auch hier niemals die Grenzen der Menschenwürde und des guten Geschmacks. Viel eher erinnern ihre kleinen „Streiche“, die sie diesen Gesellen spielt, an Schabernack, stets bedient sie sich dabei eines frechen Augenzwinkerns. Die so „Geschädigten“ erleiden außer einer kleinen Lektion, die sie zum Nachdenken anregen soll, keine nachhaltigen Verletzungen. Pippi kennt die Grenzen genau.

Pippi lebt immer im Augenblick. Auf alles, was sie macht, ist ihre Aufmerksamkeit wie ein Laser fokussiert. Da war Multitasking noch nicht hip, sondern das wirklich Essentielle. Deshalb wühlt sie auch weder im Schlamm der Vergangenheit, noch brütet sie Zukunftssorgen aus. Eckart Tolle hätte seine wahre Freude an ihr.

Gegenwind schreckt sie nicht ab. Als Tommy und Annika befürchten, „der Sturm wird immer stärker!“, entgegnet Pippi: “ Macht nichts, ich auch!“. Das ist Resilienz in ihrer Reinform. Sie weiß um ihre Talente, ihre Stärken und Superkräfte, ein Zitat, das vielleicht eines der bekanntesten ist, lautet: „Das habe ich noch nie vorher versucht, also bin ich völlig sicher, dass ich es schaffe.“
Was soll man dazu noch sagen? Außer sich selbst zu fragen, warum wir uns alle immer klein machen, viel mehr, als es das Umfeld tut? Warum nagen die Selbstzweifel wie kleine Ratten an unserem Wertgefühl, warum trauen wir uns den Kopf so selten erheben und von uns selbst sagen: Hey, du bist gut, wie du bist! Lieber rennen wir einer unerreichbaren Perfektion nach, treiben den Optimierungswahn auf die Spitze und verpassen die besten Momente voller Wunder, voller Magie, voll prallem Leben.

Apropos Wunder. Der Rotschopf sagt altklug: „Vielleicht sollten wir manchmal einfach das tun, was uns glücklich macht, und nicht das, was vielleicht am besten ist.“ Ja, „sie macht sich ihre Welt, widde widde wie sie ihr gefällt.“ Natürlich sollten wir uns alle die Welt richten, wie sie uns gefällt! Unbedingt, dafür breche ich eine Lanze! Wenn wir dabei im Auge behalten, dass unsere persönlichen Freiheiten und Spinnereien da enden, wo wir die eines anderen Menschen verletzen, dürfte dabei wenig schiefgehen. Zu viele Menschen stecken in Leben fest, die ihrem Herzen überhaupt nicht entsprechen. Der Mut, die Komfortzone zu verlassen, fehlt vielen von uns.
Ich bin wirklich der Meinung, dass ein gewisser Rahmen an Disziplin, Struktur und Wertempfinden essentiell wichtig für ein glückliches (im Sinne von zufriedenes) und, ja, erfolgreiches Leben ist.
Aber wir müssen manchmal einfach kindlich neugierig, offen für Verrücktes und ab und zu einfach nur grundlos glücklich sein. Sich Tagträumen hingeben, in denen ALLES möglich ist. Oder einfach mal ein Eis im Regen essen. Bei Hitze kann jeder. Manchmal dürfen die Analysen, ob das jetzt eventuelle Folgen haben könnte, wie z.B. Glücksverkaterung oder Halsweh, ein bisschen ruhen. Ich glaube, dass reflektierte Menschen sowas im Griff haben, auch einmal auszubrechen, ohne gröberen Schaden zu nehmen oder anzurichten.

Fräulein Langstrumpf weiß, wie wichtig Pausen im Leben sind: „Faul sein ist wunderschön! Und dann muss man ja auch noch Zeit haben, einfach dazusitzen und vor sich hin zu schauen.“ Großartig, oder?
Aber wir leiden alle unter Leistungsdruck, Karrierestreben, schütten uns selbst am Wochenende mit FreizeitAKTIVITÄTEN zu, und Faulsein ist etwas Verwerfliches geworden. Mittlerweile gibt es dafür sogar einen Begriff „The Fear of missing out“, kurz Fomo genannt. Man muss sich vorstellen, wir haben Angst, unser Leben zu verpassen, wenn wir nicht alle Angebote, die es raushaut, auch ausprobieren. Wir haben vergessen, dass die besten Dinge in der Stille, in der Ruhe geschaffen wurden und passieren. Lieber hetzen wir irgendwelchen Trends hinterher. Teilweise recht fragwürdigen. Wie gut ist ein Künstler, egal, was er erschafft, wenn er es nicht für Verkaufs-, Klick- oder sonstige Zahlen macht. Applausheischerei ist in jeder Form der Feind von natürlicher und strahlender Kreativität. Die berührt Menschen nämlich mitten im Herz, nicht als vergänglicher Reiz an der Hautoberfläche – die Woche darauf ist doch schon der nächste Stern am Himmel der Eitelkeiten aufgegangen. Schlimm inflationär zeigen sich die Auswüchse der „Kunst“ aktuell – Stichwort: Castingshows. Alles für den schnellen Ruhm.
Einfach dasitzen und vor sich hin schauen. Probieren wir das mal, ich glaube, da können wir ganze Universen entdecken…

Was mich an der kleinen, großen Pippi am meisten faszinierte, war ihre Authentizität. Sie hat sich kein einziges Mal verbogen, für die Erwachsenen nicht, für ihre Freunde nicht und schon gar nicht dafür, um zu gefallen oder unbedingt gemocht zu werden. Und das Erstaunliche ist, wir haben ihr alle dabei zugesehen, und wir alle LIEBEN sie. Na, klingelt es? Wir sind niemals liebenswerter und so perfekt unperfekt, als wenn wir WIR SELBST sind. Wenn wir raushauen, was wir wirklich empfinden, ja, verdammt, auch mal unsicher wie kleine Kinder sind, schutzbedürftig, sehnsüchtig, uns am liebsten in die Arme eines Menschen werfen wollen und keine anstrengenden Rollen spielen müssen. Wenn wir Gefühle nicht so oft hinter Witz und Sarkasmus verstecken, damit sie nur ja nicht bemerkt werden. Oder unsere Wut nicht zeigen, man könnte uns sonst die Kontrolle absprechen, und so etwas machen Erwachsene doch nicht. Oder?
Wann haben wir aufgehört, fühlende Wesen zu sein und lieber so etwas Automatisiertes auszustrahlen, das sich besser der Gesellschaft anpasst?

Gott sei Dank wurde die Figur der Pippi in einer Zeit geschaffen, als wir noch nicht von einer dauerempörten Stimmung beherrscht wurden. Da war okay, dass sie sich ein Pferd auf der Veranda hält, ein Äffchen im Haus, dass man einem knapp zehnjährigen Mädchen Strümpfe mit Strumpfhaltern anzieht und die dann noch kess unter ihrem Kleidchen hervorblitzen lässt. Huch.
Die Autoritäten hinterfragt, lieber auf ihr Gefühl hört und trotzdem – oder genau deswegen? – ein goldglänzendes Charakterstück ist.
Man muss sich nur die Biographie ihrer Schöpferin, die ich ebenso verehre, anschauen: Astrid Lindgren, der ich übrigens auch einen Blogeintrag gewidmet habe, wer ihn nachlesen will: https://seelenlandeplatz.blog/2020/06/14/astrid-lindgren/

Abschließend zitiere ich mich aus eben jenem selbst, weils passt.
„Danke Astrid, dass du uns Mädchen die charmanteste, witzigste, frechste, warmherzigste, gerechteste, weltoffenste und süßeste Feministin geschenkt hast, die die Welt je gesehen hat!“
Und dass sie aus meinem Herzensland Schweden kommt, ist nur die Kirsche auf der Sahne.

Fotoquelle: http://www.promipool.de/tv-film (©Imago Images/United Archives)

10 Kommentare zu „Pippi Langstrumpf

    1. Du, ich glaube, dass das ganz vielen Menschen so geht. Wir wagen manches nicht aus Angst, uns zum Narren zu machen oder weil es uns eine Nummer zu groß erscheint! Was uns dabei alles entgeht. Annika gehört auf jeden Fall zu den Mädchen, die in der zweiten Reihe stehen, weil sie nicht so auffällig sind, aber das Potential für die erste haben, so es jemand entdeckt! Liebe Grüße zurück!

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