Die Wu-Wei-Lehre kommt aus dem Taoismus. Sie basiert auf dem Prinzip des Nicht-Handelns, bevor uns nicht ein klarer, innerer Impuls dazu auffordert. Sie stellt die These auf, dass wir am erfolgreichsten sind, wenn wir möglichst oft gedankenleer sind. Schluss mit angestrengtem Tun und Machen – so viel wie nötig und nicht mehr, als es braucht. Scheint auf den ersten Blick kinderleicht, gestaltet sich in der Praxis jedoch als ganz schön holpriges Unterfangen. Stichwort: Ego.
Es geht vor allem um das Beobachten. Wenn demnach eine herausfordernde Situation aufkommt, sollen wir laut Wu Wei davon absehen, sofort mit der Analyse zu beginnen. Unser Gehirn kann ausschließlich auf Erinnerungen sowie freudige und traumatische Erlebnisse zurückgreifen – und mit diesen bescheidenen Hilfsmitteln ringen wir um eine Lösung. Wir vergleichen mit schon Erlebtem, urteilen, unterscheiden zwischen Gut und Böse und haben Erwartungen und Ängste.
Ziel ist es, in Frieden mit ALLEM zu sein, was ist. Das schließt auch den nörgelnden Nachbarn, den pubertierenden Teenager, eine Grippe, den aufreibenden Job und die unerreichbare Liebe mit ein. Die Herausforderung besteht darin, dass wir uns den klaren und vor allem urteilsfreien Blick bewahren. Immer noch überzeugt, dass das Ganze so einfach ist?
Vielleicht reicht es vorerst, sich nicht direkt aufzuregen, sondern sich zu fragen: Ist es das wert, dass ich jetzt zu kämpfen beginne? Druck auf eine Situation oder einen Menschen bedeutet immer auch Gegendruck von der anderen Seite, das ist simple Physik. Das Gesamtbild im Auge behalten, nicht kleinlich die Emotion des Augenblicks bewerten – ich glaube, darum geht es. So lernt das Hirn schließlich Gelassenheit.
Bevor man sich moralisch über andere erhebt, kann man durchaus einmal innehalten und sich in Erinnerung rufen, dass auch deren Leben mitunter ziemlich fordernd sein kann. Nicht nur das eigene birgt seine Tücken.
Die zweite Säule, die des Nicht-Handelns, steht der ersten in Sachen Herausforderung in nichts nach. Tun wir uns leicht damit, vorerst passiv zu bleiben? Damit, die Situation einfach nur wahrzunehmen und darauf zu vertrauen, dass wir zum richtigen Zeitpunkt den Impuls zur Handlung verspüren? Gelingt es uns, weder eine Abwehrhaltung einzunehmen noch in blinden Aktionismus zu verfallen, auch wenn die Emotionen gerade hochkochen?
Wichtig ist, alle Gefühle, die da kommen wollen, zuzulassen und durchzufühlen. Lasst euch nicht einreden, dass man sie weg meditieren und in Licht und Liebe auflösen soll. Verhindert bloß das Eingreifen des Verstandes an dieser Stelle.
Der Irrglaube vieler Menschen ist es, davon auszugehen, dass ihr Ego kleiner wird, je mehr sie sich geistig weiterentwickeln. Falsch gedacht, denn das Ego entwickelt sich natürlich mit. Und nicht nur das, seine Spielchen werden darüber hinaus perfider. Es lässt sich immer weniger durchschauen und gaukelt uns Dinge vor, gegen die wir uns scheinbar wehren oder welche wir uns herbeiwünschen müssen.
Man sollte nicht gegen sein Ego ankämpfen oder versuchen, es zu unterdrücken. Es ist schließlich verantwortlich für die eigene Individualität und kann uns in mancher Krise das Leben retten. Da wir aber selten in wirklich lebensbedrohlichen Situationen stecken, ist es ganz ratsam, zunächst einmal innezuhalten und zu beobachten. Vielleicht hilft es, zu erkennen, dass wir nicht sind, was wir als ICH erschaffen haben.
Im Grunde weiß niemand so genau, was und wer alles in ihm steckt. Angeblich wohnt uns eine Intelligenz inne, die nicht im Gehirn angesiedelt ist und um einiges weiser zu sein scheint. Manche nennen sie auch Bauchgefühl oder Intuition. Ob wir wohl öfter darauf hören sollten? Es käme auf einen Versuch an …
Genau meine Themen derzeit, vielen Dank für deinen Beitrag 🙂
L.G., Reiner
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Ich freue mich, wenn es Menschen erreicht. 😉 Liebe Grüße.
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