Die Mathematik und ich waren nie beste Freunde. Wenn ich jedoch in meiner Erinnerung grabe, kann ich mich an wunderschöne Sinuskurven erinnern – ähnlich denen eines menschlichen EKGs. Das Elektrokardiogramm misst die Herzströme eines Menschen, und solange es eine solche Kurve zeichnet, ist er am Leben.
Man könnte das Ganze auch ein wenig philosophischer betrachten und dabei feststellen, dass unser Dasein in ähnlichen Schwankungen und Zyklen verläuft. Da finden sich Höhen, Tiefen und kleine Plateaus. Glücksmomente, Krisen, Schicksalsschläge, Erfolge und dazwischen die meiste Zeit der ganz normale Alltag. Den Puls unseres Lebens nehmen wir im Normalfall genauso wenig wahr wie den unseres Herzens – bis es dann zu Spitzen oder Talfahrten kommt … oder letztendlich gar zum Stillstand.
Die meisten von uns würden wahrscheinlich sagen, dass sie nach den Spitzen streben und dort das Glück vermuten. Am besten anhaltend und für immer, ohne weitere Tiefschläge. Ich aber glaube, das würde uns nicht wirklich zufriedenstellen.
Entweder wäre es kaum auszuhalten, ständig im Glück zu schwelgen, oder – was ich für viel wahrscheinlicher halte – es wäre langweilig. Im schlimmsten Fall eine EKG-Nulllinie; keinerlei Bewegung mehr.
Stellen wir uns unser Leben als Kugel vor, die auf dieser Kurve dahinrollt, beständig nach vorn – rückwärts ist schließlich unmöglich. Angetrieben von einem schlagenden Herzen, einem wachen Geist sowie unseren Träumen und Visionen. Solange wir einen Puls haben, hat diese Kugel Antrieb, hinauf wie auch hinunter. Wenn wir nun die Spitze der Sinuskurve betrachten, können wir bildhaft erkennen, wie kurz der Aufenthalt am Ort des vermeintlichen Glücks ist, ja, sein muss. Der Rollweg nach unten ist unumgänglich. Im Umkehrschluss bedeutet dies jedoch auch, dass der Aufenthalt in der Talsohle nur ein temporärer sein kann.
Hat man dieses Bild verinnerlicht, erscheint es fast logisch, alles im Leben an- und mitzunehmen. Weil es nirgendwo zu einem Stillstand kommt – bis wir schließlich am Ende unserer Kugelbahn angelangt sind und an dieser Stelle im besten Fall damit im Frieden sind. Es gibt also keine wie auch immer gearteten Sicherheiten, Rastplätze oder eigenhändige Regulationen. Es geht immer weiter, und am besten, man spielt das Spiel mit Neugier und Begeisterung mit. Zwischendurch auch mal traurig, verzweifelt und wütend zu sein, geht völlig in Ordnung.
Ich hätte nie gedacht, dass mich mathematische Funktionen einmal derart würden begeistern können …

….ein schönes Bild. Ja, so empfinde ich das Leben auch mit seinen Höhepunkten und den Tiefpunkten. Deine Gedanken dazu und der Vergleich mit der Mathematik erscheinen irgendwie tröstlich. Vielen Dank und viele Grüße, Erika Magdalena
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In der Schule empfand ich die Mathematik – weil ich sie nicht verstand – oft als bedrohlich. Dabei gibt sie vielem im Leben Struktur, Ordnung, hat etwas Beständiges. Das kann durchaus als tröstlich empfunden werden. Mein Dank geht zurück, liebe Grüße!
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… welch wunderbarer Text bzw. welch wunderschönes Bild und GEFÜHL, das deine Worte beim Lesen in mir entstehen lassen – DANKE dafür von Herzen
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SO schön – ich danke DIR von Herzen! ❣️
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Eine Art Sisyphos, oder?
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Ja, erscheint ähnlich.
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