Tief beeindruckt schrieb ich vor fünf Jahren meine persönliche Kritik zum „Joker“, der damals mit Joaquin Phoenix in der Hauptrolle für Furore sorgte.
Da die Fortsetzung mit Lady Gaga in der Rolle als seine Gefährtin kurz vor dem Filmstart steht, haben wir uns den ersten Teil kürzlich noch einmal angesehen – und er hat nichts von seiner Wucht, seiner Intensität und seiner Strahlkraft eingebüßt.
Mir wurde bewusst, dass die Thematik aktuell und brisant ist wie eh und je, dass man bei manchen Dingen einfach immer wieder hinsehen sollte. Deshalb will ich diesen Blogbeitrag von mir noch einmal vor den Vorhang holen. Für den Fall, dass jemand dieses Filmjuwel verpasst haben sollte.
Ich gestehe, ich hatte vorerst Bedenken, mir den Film anzusehen. Da hörte man von Menschen, die verstört den Kinosaal verließen, da wurden Kritiker gefragt, ob sie sich wirklich alles angesehen hätten, ohne sich die Augen zuzuhalten.
Wie immer war ein wenig Sensationsheischerei dabei. Ignoriert sie, schaut euch den Film einfach selber an!
Sicher, „Joker“ ist möglicherweise kein Film für den lustigen Mädchenabend oder das romantische Pärchenerlebnis. Aber wenn man sich wirklich bewegen lassen will, es aushalten kann, dass der Gesellschaft ein gnadenloser Spiegel vorgehalten wird, und über einen Film gern noch lange nachdenkt und spricht, dann sei einem dieses Werk ans Herz gelegt.
Manchmal musste ich mir in Erinnerung rufen, dass es sich hier um die Verfilmung eines Comics handelt – da blieb mir das Lachen im Halse stecken. Ein Psychogramm würde ich es nennen, ein Drama, eine Tragödie. Das Entstehen des Wahnsinns in einem Menschen, den die Gesellschaft dahin treibt, den man fast nachvollziehen, ja, verstehen kann. Man möchte die Leinwand anschreien: „Seht ihr nicht, was ihr anrichtet? Wie viel glaubt ihr, kann ein Mensch ertragen, bis er überschnappt?“
Dem Regisseur, den man eigentlich von leichten Komödien wie „Hangover“ kennt, ist ein Wurf gelungen, der es in sich hat. Eine schmale Gratwanderung zwischen Fremdscham und Wut auf die Oberflächlichkeit und Kälte der Gesellschaft. Irgendwann muss man sich wirklich daran erinnern und zur Ordnung rufen: „Stopp! Er hat trotzdem nicht das Recht, Selbstjustiz zu betreiben und Menschen umzubringen!“
Arthur Fleck ist ein sensibler Außenseiter in Gotham City, der aufgrund einer psychischen Beeinträchtigung an zwanghaften Lachanfällen leidet. Allein das reicht, um ihn zur Zielscheibe der Menschen zu machen. Arthur pflegt seine Mutter und arbeitet als Clown. Er will nichts anderes, als Menschen zu unterhalten, Lachen und Freude in die Welt zu bringen. Tragisch, dass ausnahmslos ÜBER ihn gelacht und mit dem Finger auf ihn gezeigt wird, dass ihm stattdessen überall Ablehnung entgegenweht. Ihm, der von der großen Liebe mit dem Nachbarsmädchen träumt und von einem Auftritt in der größten Show zur Primetime.
Als er von einer entscheidenden Lebenslüge erfährt, die sein gesamtes Weltbild auf den Kopf stellt, nimmt das Drama seinen Lauf, und der Wahnsinn entfaltet sich in seinem ganzen Ausmaß …
Großartige Charakterschauspieler spielten die Rolle des „Joker“. Kaliber wie Jack Nicholson. Unvergessen die legendäre Darstellung des irren Clowns von Heath Ledger, die ihm posthum den Oscar bescherte. Jared Leto stellte den Psychopathen ebenso eindrucksvoll dar: schrill und punkig. Wer sollte jetzt nachrücken?
Joaquin Phoenix.
Abgemagert bis aufs Gerippe spielt, tanzt, lacht, grollt, liebt und leidet er sich durch den Film. Seine Augen erzählen ein ganzes Leben. Allein das Spiel dieser unfassbaren Augen hat mich meine kein einziges Mal schließen lassen. Außer, wenn ich mir eine Träne wegwischen musste. Und das war öfter der Fall.
Gebannt saß ich vor der Leinwand, als der Film auf einmal zu Ende war. Hatte er nicht gerade erst begonnen? Keine Minute zu viel, keine Längen oder Pausenfüller mit übermäßig „KAWUMM“. Hat er nicht nötig. Der Film lebt von diesem Ausnahmetalent, vor dem ich mich verneige. Höchste, allerhöchste Schauspielkunst. Tiefgang, der tänzelnd präsentiert wird. Ein Wahnsinn, der beklemmend daherkommt. Und DER ist beklemmend, nicht die Gewaltszenen. Ja, die gibt es, das ist eine Tatsache. Aber sie stellen nicht den Actionmittelpunkt dar.
Erwähnenswert sind natürlich auch die Kulissen, die Farben, die Requisiten und der Soundtrack. Fred Astaire, Frank Sinatra, Cream – um nur einige Künstler zu nennen – hauchen der Szenerie eine ganz eigene Atmosphäre ein.
Lasst euch nicht abschrecken von dem Geschrei, das im Vorfeld gemacht wurde. Geht stattdessen ins Kino und lasst euch bewusst ein wenig verstören …

Habe den Film leider nicht zur Gänze gesehen (nur das letzte Drittel), auch nicht im Kino aber im TV. Bin beim Durchzappen zufällig darauf gestoßen und gleich hängengeblieben. War ganz erstaunt, denn ich hatte anderes erwartet (wusste ja von dem Film, den Kritiken etc…). Ich war wirklich beeindruckt, sehr SEHR angerührt! … dDu hast das ganz wunderbar beschrieben, kann dir in allen Punkten nur beipflichten.
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Das freut mich sehr. Ich bin froh, dass ich damals meine Komfortzone verlassen habe. Es ist jammerschade, dass Teil 2 anscheinend so gar nicht mithalten kann … 😦
Danke dir, meine Liebe!
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Ich finde ja, dass man nicht immer einen draufsetzten muss. Es gibt ja viele Filme, die rundherum gelungen, stimmig etc. sind, und dann mit dem zweiten, dritten Teil leider immer mehr abdriften, sich damit ins Aus schießen. Ich danke Dir 😉
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Da bin ich ganz deiner Meinung.
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