Gedankensplitter

Die Welt in ihren Lehrjahren

Krisenstimmung in der Welt. In der großen wie auch in der kleinen, wenn man den Leuten so zuhört oder einfach nur Nachrichten konsumiert. Die Meinungen überschlagen sich, da wird Partei ergriffen, Position bezogen, da wird sich aufgeregt und geschimpft. Man gebärdet sich, als wäre die Welt kurz vor dem Zusammenbruch, als wäre das Morgen verloren und alles dem Untergang geweiht.

Ich muss gestehen, dass ich alleine das Konsumieren diverser Medieninhalte als anstrengend empfinde, habe dabei für mich herausgefunden, dass ich lieber beobachte. Zeitweise will mich mein Gewissen auffordern, mich zu beteiligen, auch Position zu beziehen, denn gewisse Themen liegen natürlich auch mir am Herzen. Wenn ich gefragt werde, mache ich das auch. Das Bedürfnis, die Welt unaufgefordert damit zu beglücken, habe ich dabei weniger.

Manchmal wage ich es, eine rebellische Haltung einzunehmen. Nämlich die, davon auszugehen, dass alles einer gewissen Ordnung folgt, einem Plan, von dem ich gar keine Ahnung habe. Warum? Das muss ich im Moment nicht wissen, das wird uns die Historie zu gegebenem Zeitpunkt offenbaren. Von uns selbst und unseren Leben behaupten wir ja gerne, dass alles Sinn macht, die Dinge passieren, wie sie sollen und es letztendlich einem höheren Zwecke dient. Tausend Geschichten, Filme und Bücher, die den Kampf zwischen Gut und Böse thematisieren, haben uns das erzählt. Wir würden das Positive nicht erkennen, wenn wir das Negative nicht ebenso erfahren haben, das sagt man uns Menschen nach. Also warum nicht auch darauf vertrauen, dass manche Dinge geschehen, weil es eine Etappe auf dem Weg zu einem Ziel ist, das noch verschwommen vor uns liegt?

Wie würde es sich anfühlen, im Auge des Orkans erst einmal ganz ruhig zu werden und die Dinge neutral zu beobachten, vor allem mit einer gewissen emotionalen Distanz. Polemik abprallen lassen, seinem eigenen Gefühl von Moral und Ethik trauen und natürlich auch der Vernunft. Alles, was sich im eigenen Leben an Philosophie und Weisheit anwenden lässt, tut dies auch im Großen, in der Weltgeschichte. Wir denken oft nur zu kurz, zu wenig breit oder nach vorne.
Urteile hat man schnell bei der Hand, und es ist so erhebend, mit der Herde für ein gemeinsames Ziel zu laufen. Je nachdem, aus welcher Richtung das Lüftchen weht – wenn es dem eigenen Vorteil dient, dann sind wir doch gerne zu einem Meinungswechsel bereit.

Auch wenn das jetzt viele empören mag – ich schaue nach wie vor neugierig und in einer ruhigen Erwartungshaltung auf die Welt und ihre Entwicklung. Allerdings aus sicherer Entfernung, so weit dies möglich ist. Was hat sie nicht alles überlebt, ich kann mich nicht erinnern, dass je das „Böse“ endgültig gesiegt hat. Mutter Erde steht, beziehungsweise dreht sich nämlich erstaunlicherweise immer noch. Weshalb glauben wir eigentlich unerschütterlich an unsere vermeintliche Macht, etwas auszulöschen, das so viel größer ist als wir? Warum halten wir uns für die Krone der Schöpfung? Haben wir je den Beweis erbracht, dass wir diesen Titel verdienen?

In unseren eigenen Lebensläufen sagen wir nach Krisen immer, wie sehr sie uns Meilensteine auf dem Weg zur persönlichen Entwicklung waren. Selten haben sie uns schlechte Dienste erwiesen. Im Gegenteil, sie haben uns wachsen lassen, manchmal sogar über uns hinaus.
Vielleicht sollten wir der Welt auch ihre Erfahrungen zugestehen. Wer weiß, möglicherweise entsteht Gutes daraus, selbst wenn wir das nicht mehr erleben werden – diese Hoffnung will ich noch nicht aufgeben.

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