Ich gestehe, ich hatte ein wenig Bedenken, mir den Film anzusehen. Da hörte man von Menschen, die verstört den Kinosaal verließen, da wurden Kritiker gefragt, ob sie sich echt alles, ohne sich die Augen zuzuhalten, angesehen hatten!
Mediensensationsheischerei – vergesst das! Sicher, „Joker“ ist kein Film für den lustigen Mädchenabend oder das romantische Pärchenerlebnis. Aber wenn sich wer wirklich bewegen und berühren lassen will, es aushält, dass der Gesellschaft ein gnadenloser Spiegel vorgehalten wird und gerne über einen Film noch lange nachdenkt und spricht – dem leg ich ihn ans Herz.
Manchmal musste ich mir in Erinnerung rufen, dass es sich hier um die Verfilmung eines COMICS (!) handelt, da bleibt mir das Lachen im Hals stecken. Psychogramm würde ich es nennen, Drama, Tragödie. Das Entstehen des Wahnsinns in einem Menschen, den die Gesellschaft dahin treibt. Den man nahezu nachvollziehen kann. Man reinschreien möchte: „Seht ihr nicht, was ihr anrichtet? Wieviel glaubt ihr, kann ein Mensch ertragen, bis er überschnappt?“ Dem Regisseur, den man eigentlich aus Tralalafilmen wie „Hangover“ kennt, ist ein Wurf gelungen, ders in sich hat. Eine schmale Gratwanderung aus Fremdschämen, Wut auf die Oberflächlichkeit und Kälte der Gesellschaft, irgendwann muss man sich wirklich dran erinnern: „Stopp! Er hat trotzdem nicht das Recht, Selbstjustiz zu betreiben und Menschen umzubringen!“
Arthur Fleck ist ein sensibler Außenseiter in Gotham City, der eine psychische Beeinträchtigung hat und an zwanghaften Lachanfällen leidet. Alleine das reicht, um ihn zur Zielscheibe der Menschen zu machen. Er pflegt seine Mutter und arbeitet als Clown. Arthur will nichts anderes, als Menschen zu unterhalten, Lachen und Freude in die Welt zu bringen. Tragisch, dass aber ausnahmslos immer ÜBER ihn gelacht, mit dem Finger auf ihn gezeigt wird, ihm überall Ablehnung entgegenweht. Ihm, der von der großen Liebe mit dem Nachbarsmädchen träumt und von einem Auftritt in der größten Comedy Show zur Primetime.
Als er von einer entscheidenden Lebenslüge erfährt, die sein ganzes Gefüge auf den Kopf stellt, nimmt das Drama seinen Lauf, und der Wahnsinn entfaltet sich in seinem ganzen Ausmaß…
Großartige Charakterschauspieler rissen sich um die Rolle, Jack Nicholson, unvergessen die legendäre Darstellung des irren „Clowns“ von Heath Leadger, die ihm posthum den Oscar bescherte. Jared Leto stellte den Psychopathen dar, schrill, punkig. Wer sollte jetzt nachrücken?
Joaquin Phoenix.
Abgemagert bis aufs Gerippe spielt, tanzt, lacht, grollt, liebt und leidet er sich durch den Film. Seine Augen erzählen ganze Leben, alleine das Spiel dieser unfassbaren Augen hat mich kein einziges Mal meine zumachen lassen. Außer, wenn ich mir eine Träne wegwischen musste. Der Film war auf einmal zu Ende, und dabei hatte er für mich doch gerade erst begonnen? Keine Minute zuviel, keine zeitschindenden Längen oder Pausenfüller mit viel KAWUMM. Hat er nicht nötig. Der Film lebt von diesem Ausnahmetalent, vor dem ich mich verneige. Höchste, allerhöchste Schauspielkunst. Tiefgang, der tänzelnd präsentiert wird. Ein Wahnsinn, der beklemmend daherkommt. Und DER ist beklemmend, nicht die Gewaltszenen. Ja, die gibt es, das ist eine Tatsache. Aber sie stellen nicht den Actionmittelpunkt dar.
Auch zu erwähnen, die Kulisse, die Farben, die Requisiten und vor allem der Soundtrack. Ich kann mich an keinen Film der letzten Jahre erinnern, in dem Musik diesen Effekt erzielte wie im „Joker“. Fred Astaire, Frank Sinatra, Cream – um nur einige Kapazunder zu nennen.
Nicht abschrecken lassen von dem Geschrei, das im Vorfeld gemacht wurde. Geht rein und lasst euch bewusst ein wenig verstören…
FOTOQUELLE: Kinoplakat http://www.film.at
Sehr schöner Beitrag. Werde ihn mir natürlich anschauen. Nach deiner Beschreibung erst recht. Obwohl ich jetzt schon weiß, dass er mich sehr lange beschäftigen wird.
Aber das tun andere Dinge leider auch…………
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Das macht einen guten Film aus, das er bewegt und beschäftigt. Was wäre das Leben ohne gedankliche Auseinandersetzung?
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Filme sind ja auch bekanntlich Geschmacksache und somit wird es immer Leute geben, die einen Film lieben oder hassen. So ist das nun mal 🙂
Auch wenn ich mir ‚Joker‘ nicht ansehen werde, hat mich dein Beitrag hier sehr berührt, hast du doch verstanden, dass Actionkino oder Blockbuster nicht nur hirnlos und leer sein müssen, sondern auch etwas mit jedem von uns zu tun haben kann und uns so einen Soiegel vorhalten kann.
Deine Beschreibung lässt eher eine Tragödie erwarten, die es ja letztendlich auch ist.
Wie wurde aus Joker nur der große Widersacher JOKER?
Und schon sind wir wieder bei uns selbst und was in jedem steckt: Angst und Zorn. 2 Zutaten, die in Verbindung mit Ablehnung und Ausgrenzung ganz schnell umschwenken können. Da gibt es wohl noch andere Beispiele…
Danke für diese tolle Empfehlung !
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Vielen Dank für diesen tollen Kommentar! Triffts, was den Film betrifft, auf den Punkt. Und mich freut es persönlich, wenn meine Beiträge genau das erreichen – berühren! Alles Liebe, H.
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