Gedankensplitter

Lustprinzip

Sind wir noch fähig, nach dem Lustprinzip zu handeln?

Der Druck der Leistungsgesellschaft hat mit ziemlicher Sicherheit dazu geführt, dass wir Dinge unterlassen oder uns nur dann und wann erlauben, die vermeintlich keinen Sinn ergeben, keinem höheren Zweck dienen oder zu „nichts“ führen. Zumindest zu nichts, das in ihren Augen Applaus oder zumindest Verständnis verdienen würde. Der Mensch wird an seiner Leistung, seiner Produktivität und dem, was er „beitragen“ kann, gemessen.
Die Arbeitswelt tut sich nicht gerade mit überbordender Menschlichkeit hervor, und wer einen Teil seiner Lebenszeit lieber in Muße verbringt, kann schnell mal als Faulpelz durchgehen.

Wenn man auf der Suche nach der Tätigkeit ist, die einen erfreut, seinen Anlagen, Talenten oder einfach der persönlichen Erfüllung entspricht, wird einem manchmal angeraten, sich daran zu erinnern, womit man sich als Kind am liebsten beschäftigt hat. Was einen mit Freude und Zufriedenheit zurückließ.

Bei mir waren es mehrere Dinge: Zum einen die Musik, in der ich mich verlieren konnte und die mich in Fantasiewelten davontrug. Natürlich Bücher, die eine ganz ähnliche Wirkung auf mich hatten.
Dann gab es diese kleine Puppe aus Pappe, der man die verschiedensten Outfits anziehen konnte, welche man zuvor aus einem Block ausgeschnitten hatte. Völlig selbstvergessen konnte ich mich stundenlang damit beschäftigen, auf dem Bauch vor dem großen Balkonfenster liegend. Die Mode hatte es mir damals schon angetan. Ich liebte dieses kleine Ding, keine Ahnung, was mit ihm geschehen ist. Wahrscheinlich habe ich es so lange in Outfits gehüllt, bis es völlig zerfleddert war.

Denke ich heute darüber nach, hat sich nicht viel an meinen Vorlieben geändert. Musik, Bücher und Mode gehören immer noch zu den Dingen, mit denen ich liebend gerne meine Zeit verbringe. Zum Lesen kam noch das Schreiben hinzu.

Stelle ich mir jedoch die Frage, womit davon ich etwas beitragen, produktiv sein oder etwas leisten kann, was in den Augen der Gesellschaft auch als Leistung durchgeht, dann fallen mir keine passenden Möglichkeiten ein.
Soll ich es messen an der Anzahl der Bücher, welche ich in einem gewissen Zeitraum zu lesen imstande bin? Den kleinen, charmanten Buchladen eröffnen, von dem sowieso jede Leseratte träumt, und damit gegen Amazon antreten? Mich über exzellentes Musikwissen oder das Schreiben eines Buches profilieren? In einem Modehaus als Quereinsteigerin mit nichts als meiner Faszination für Kleidung anheuern?
Ganz ehrlich? Das wäre nicht einmal in meinem Sinne.
Als ob der Arbeitsmarkt in diesem System dafür geschaffen wäre, dass die Menschen ihre Begabungen und Neigungen ausleben, bzw. davon überhaupt leben können! In einer fernen Utopie, vielleicht …

Diese meine ganz persönlichen Schätze mag ich dem gar nicht aussetzen, sodass am Ende noch Druck auf sie entsteht. Ich möchte nicht, dass sie plötzlich einem Zwang erliegen, etwas erfüllen zu müssen, oder einer Kontrolle ausgesetzt sind, die sie davor nie erfahren mussten.
Hier darf einzig und alleine das Lustprinzip gelten, und hier will ich das Kind bleiben, das sich einst mit Hingabe daran erfreute. Das ohne über ein „Warum“ oder „Wohin“ nachzudenken – einfach selbstverloren im Augenblick war …

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