Gesundheit

Urlaubsreif

Kann sich irgendwer überhaupt noch vorstellen, zu Hause Urlaub zu machen?

Nein, da ist man zu sehr an den Alltag erinnert. Daheim ist nichts Besonderes mehr. Das Wetter passt nicht. Überall sieht man Arbeit, die gemacht werden sollte. Ganz zu schweigen von den Nachbarn, Freunden oder der Familie, die einen nicht in Ruhe lassen. Also ab in den Süden. Oder sonst wohin.

Woanders ist alles besser. Den Tauschhandel, der Staus, Massentourismus und schlechte Schlafqualität in billigen Bettenlösungen beinhaltet, geht man gern ein. Denn die wenigsten haben das Geld, die schönsten Plätze dieses Planeten ganz für sich allein und mit vollem Komfort zu genießen.
An jenen Orten kann ich mir Urlaub übrigens durchaus traumhaft vorstellen. Ohne dicht beieinanderstehende Liegestühle und die Soundkulisse von Touristen, welche sich nicht nur einen Sundowner-Cocktail gönnen.

Früher sprach man von Geheimtipps, Kraftorten, magischen Plätzen. Aber jetzt, da nahezu jeder sein Selfie dort machen will und die Massenwanderung eingesetzt hat, wage ich zu bezweifeln, dass der Zauber noch spürbar ist oder die nötige Ruhe herrscht, die solche Orte zur Entfaltung brauchen.

Nahezu jeden Sommer beklagen Menschen sich über kilometerlange Autoschlangen und den Stress an beliebten, viel besuchten Urlaubszielen – und setzen sich trotzdem unmittelbar nach der Zeugnisverteilung ins Auto, um genau dorthin zu pilgern. Dieses Verhalten erschließt sich mir nicht, wo doch ganze acht Wochen Ferienzeit vor einem liegen und tatsächlich noch Orte existieren, die kaum einer kennt.

Ich feiere die Mallorquiner, die sich ihre Insel zurückerobern wollen und dem Ballermann den Kampf ansagen. Natürlich kann man auf das Geld, das die Feiernden auf der Insel lassen, nicht gänzlich verzichten. Aber dem Spektakel Grenzen zu setzen, finde ich großartig.

Ich höre diejenigen aufschreien, die gern die Welt bereisen, die Landschaften oder Städte erkunden wollen, die mit dem Rucksack unterwegs sind oder auf Bequemlichkeit pfeifen. Denen sei ihr Abenteuer oder Erlebnis von Herzen gegönnt. Ich spreche hier ausschließlich von vermeintlicher „Erholung“ an Klischeeorten.
Aber wer weiß, vielleicht kann man irgendwann wieder Traumziele besuchen, die den Status des Geheimtipps zurückerlangt haben.

Eine kleine Frage erlaubt mir am Ende:
Warum ist ein Urlaub zu Hause so wenig reizvoll? Warum genießt man die eigenen vier Wände und den Garten, den man in mühevoller Arbeit liebevoll gepflegt hat, nicht einmal länger als nur zwischen Badezimmer, Fernsehen und Bürozeit? Womöglich ahnt man gar nicht, welch magische Plätzchen man dort entdecken kann … Und ganz nebenbei: Das Schlafen ist gratis.

9 Kommentare zu „Urlaubsreif

  1. Ein toller Beitrag, der genau meine Gedanken in Worte fasst! Auch ich kann nicht nachvollziehen, warum man sich in dieser Hitze mit anderen zusammen an den Strand pfercht. Das soll schön sein? Ohne mich.

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  2. Ich gehöre zu den Menschen, die total gerne zuhause oder in der näheren Umgebung ( Tagesausflüge) Urlaub machen können. Ich genieße es sogar. Meine Frau und ich geben uns berufsbedingt im Alltag oft „die Klinke in die Hand“ und dann finden wir es total schön im Urlaub einfach mal Zeit zu Hause zu haben. Was aber natürlich nicht bedeutet, dass wir nur zu Hause sind. Wir lieben zum Beispiel beide die Nordsee und verbringen dort gerne mal ein paar Tage. Oder wir fahren auch mal in die Berge. Wir beide wissen, dass Urlaub uns stressen würde, wenn wir z.B. in „den Süden“ fliegen würden. Massentourismus ist so gar nicht unsers.

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