Gedankensplitter

Berührung

Aktuell kommt man an dem medialen Geschrei um Rammstein und deren Sänger Till Lindemann kaum vorbei. Ich will hier keine Stellung beziehen – Spekulationen halte ich für fehl am Platz. Das Phänomen der „Groupies“ gibt es, seit es Bands gibt. Das soll jeder Mensch halten, wie er will.

Bei mir hat das Thema ganz andere Gedanken hervorgebracht: Wie heilig ist uns Berührung eigentlich noch?

Berührung ist lebensnotwendig. Schon das Neugeborene ist abhängig von der körperlichen Zuwendung der Mutter. Wir drücken Zuneigung durch kleine Gesten aus, streicheln Tiere, lieben weiche Materialien auf der Haut. Menschen gehen zur Massage und nehmen andere Dienste in Anspruch, bei welchen sie berührt werden.
Ich habe von Kuscheltherapeuten gelesen, die ihre Klienten im Arm halten und ihnen damit Nähe schenken – ohne sexuellen Hintergrund. Eine Umarmung tröstet manchmal mehr, als jedes Wort es vermag.
Selbst nonverbale Kommunikation – etwa Körpersprache oder ein intensiver Blick – ist nichts anderes als eine Form der Berührung. Natürlich kann dadurch aber auch Ablehnung ausgedrückt werden.

Die vielleicht höchste Form der körperlichen Nähe ist die Sexualität, die zwei Menschen vereinigt – im wahrsten Sinne des Wortes. Das war es, was mich angesichts des ganzen Rammstein-Themas beschäftigte.

Hier wird körperliche Nähe zu einem Deal, einer irgendwie verrohten Angelegenheit. Ich wage nämlich zu behaupten, dass es sich dabei selten um echte Zuneigung oder seelische Nähe dreht.
Im Fokus steht viel eher – und an dieser Stelle gehe ich einmal von Einvernehmlichkeit aus – die Aufmerksamkeit, die rasche Befriedigung welcher Bedürfnisse auch immer. Es geht um einen gewissen Stolz und Trophäenjagd – auf beiden Seiten, wohlgemerkt. Erzwungene Handlungen schließe ich dabei bewusst aus – dass solche nicht in Ordnung sind, versteht sich von selbst.

Ich habe mich immer gefragt, warum Frauen das genügt … Tut es das überhaupt? Aber auch die Frage, warum es Till genügt, beschäftigt mich. Könnte er sie auch haben, wenn er ein Volksschullehrer, ein Handwerker oder der Mann wäre, der den Müll abholt? Womöglich ist es ihm egal. Ich kenne ihn nicht, deshalb maße ich mir auch kein Urteil an. Fühlt man noch etwas, wenn man wie am Fließband konsumiert? Wenn man ständig neue Reize braucht?

Das gilt keineswegs nur für das reale Leben, virtuell ist das nicht anders. Heute kann man sich im Netz bedienen wie am Supermarktregal. Warum sollte das vor Dingen haltmachen, die einst etwas Besonderes waren, die man sich mit Vertrauen und Sympathie erobern durfte? Heutzutage ist der Mensch austauschbar. Es gibt immer jemanden, der noch interessanter ist, neu und aufregend. Das Buffet ist reichhaltig, wozu also verzichten? Echtes Einlassen, in die Tiefe schauen, einen Menschen in seiner ganzen Bandbreite entdecken, sich selbst hingeben und angreifbar machen – birgt das noch irgendeinen Reiz?

Berührung aus Liebe oder zumindest einer Art von seelischer Nähe und Zuneigung ist noch immer der schönste Kick. Das ist meine Meinung dazu. Doch wahrscheinlich bin ich einfach eine altmodische Träumerin. 😉

8 Kommentare zu „Berührung

  1. Ich lese zzt ein gutes Buch ‚der unberührte Mensch – warum wir mehr Körperkontakt brauchen‘ von Dr Cem Ekmekcioglu…
    Ja leider ist es oft so, dass Menschen sich nur konsumieren wie Fast Food, hält nicht lang satt 😦
    Alles Liebe
    Petra

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