Gedankensplitter

Seelenpaare

„Wir bewegten uns leichtfüßig durch unsere Seelen. Alles war möglich und nichts musste. Seelenverwandtschaft ist nicht einfach aber prächtig schön.“
(von mir)

Ich denke, jeder von uns kennt den Begriff der Seelenverwandtschaft, und wahrscheinlich hoffen die meisten, in ihrem Leben zumindest einen dieser Seelenverwandten zu treffen. Hand aufs Herz: Wir versprechen uns davon Liebe auf den ersten Blick, tiefste Verbundenheit, Erotik auf höchstem Niveau, blindes Vertrauen (manchen Punkten will ich gar nicht direkt widersprechen), immerwährendes Verständnis füreinander und Einigkeit in jedem Bereich. Wir stellen uns vor, dass dann endlich alles gut wird. Lieb, oder?

Wer sich näher mit der Thematik beschäftigt, ist sicher bereits auf erweitertes Vokabular gestoßen. Es fallen Begriffe wie „Dualseelen“, „Soulmates“, „Zwillingsseelen“ oder „Seelenpartner“. Völlig nebensächlich – Menschen brauchen nun einmal für alles einen Namen. Eine Seelenverwandtschaft jedoch spielt sich nicht auf einer rationalen Ebene ab.
Spannend ist das Thema trotzdem. Nur zu gern folgen wir romantisierten Vorstellungen – dafür sorgen schon Hollywood und Jungmädchenträume. Man will besagten Menschen in denen entdecken, die in einem gerade die Schmetterlinge tanzen lassen. Und wenn sich die Wege wieder trennen, hat man sich eben geirrt.

Damit kommen wir zum entscheidenden Punkt: Von einem echten Seelenmenschen KANN man sich nicht trennen. Sicher, im Alltag schon, aber das Band, das die beiden verbindet, bleibt bestehen. Und außerdem: Wozu sich von etwas trennen, das wertvoll ist?

Die Begegnung selbst kann die allergrößte Überraschung sein, denn dass man sich überhaupt treffen konnte, stellt in manchem Fall per se schon ein kleines Wunder dar. Dass die halbe Welt dazwischen liegt, hat man sich bestimmt nicht so vorgestellt – oder dass der eine in einer Beziehung steckt, man auf verschiedenen Kontinenten lebt, der Altersunterschied gravierend ist oder man aus unterschiedlichen Kulturen stammt. Wenn derjenige dann noch nicht einmal den Klischees entspricht, die man von seinem Seelchen im Kopf hatte, zwängt sich unweigerlich die Frage auf, ob sich die da oben womöglich geirrt haben. Weiß zufällig jemand, wo man eine Retoure anmelden kann?

Die rosa Wolken jedenfalls verziehen sich alsbald. Man hat sich diesen Menschen, der angeblich die zweite Seelenhälfte darstellen soll, völlig anders vorgestellt. Warum agiert er auf einmal so kühl und distanziert? Warum ist er eine einzige Herausforderung? Warum vermag er es, den Finger exakt auf die innersten Wunden und Triggerpunkte zu legen? Warum kann dieser Mensch hinter die Masken schauen und lässt nichts außer Authentizität gelten? Wieso tut es manchmal richtig weh? Wieso scheint er ein Spiegel zu sein und einen deshalb so gut zu kennen? Warum führt er einen schnurstracks in die eigenen Schattenwelten hinein? Machtspielchen und Manipulation sind zwecklos, selbst zum Spaß. Na, vielen Dank aber auch!

Man sagt, dass sich nur starke und alte Seelen dieser Form der Verbindung stellen – und obwohl ich nicht genau weiß, was das heißen mag, gefällt mir der Gedanke.
Wir sprechen hier nicht von einem leichtfüßigen Spaziergang, vielmehr handelt es sich um einen steinigen Weg, der beide zwingt, in die Tiefen ihrer Persönlichkeit vorzudringen, einiges an Mustern aufzuarbeiten und das Ego weitgehend ziehen zu lassen. „Experten“ benennen in diesen Paarungen einen Gefühlsklärer und einen Loslasser. Der eine scheint abgeschnitten von seiner Gefühlswelt zu sein, während der andere lernen soll, sein Zuviel davon loszulassen. Seelenpaare berichten fast immer von einem solchen Phänomen – an diesem Punkt kracht es meist gewaltig. Das eine scheint mit dem anderen völlig inkompatibel zu sein, prallen hier doch Welten aufeinander, die gegensätzlicher nicht sein könnten. Sieht man aber genauer hin, erkennt man in dieser Ergänzung ein beidseitiges Geschenk für emotionale Gesundheit. Darin ist weder Platz für Abspaltung noch für Abhängigkeit.

Es braucht eine Weile, bis das sackt. So schnell lässt man sich schließlich nicht aus der Komfortzone der eigenen Vorstellungen und mühsam antrainierten Überlebensstrategien vertreiben. Anstrengend, schmerzhaft und desillusionierend. Arbeit und Herausforderung. Wenn man aber mal dahintersteigt, eröffnen sich ganz neue Welten. Welten, die tief in einem selbst verborgen sind.
Wer war man bis dahin eigentlich? Wieso hat man an so manchen Gesellschaftspossen teilgenommen, ohne davon überzeugt zu sein? Weshalb hat man sich auf der Suche nach Liebe tausendmal geirrt und manchen Freund als solchen erkannt – oder eben auch nicht? Wie gut kennt man sich wirklich? Wo tut es richtig weh? Welche Teile seiner Gefühlswelt hat man mit allerlei Kitsch und Gedöns überladen und von welchen hat man sich gleich ganz befreit – und wieso das alles?
Nach und nach trägt dieser eine Mensch sämtliche Lackschichten ab, die man niemals brauchte. Ausdauernd und mit feiner Klinge. Wobei … manchmal nimmt er auch das Schwert.

Im besten Fall kommst du bei dir an. Nicht in einer Filmromanze, sondern bei dir. Auf einmal tun sich Elternthemen auf und man scheitert an verzerrten Lebensmodellen. Plötzlich ist man nicht mehr in der Lage, auf oberflächlich zu machen, und hat keine Lust mehr auf Theater. Aber das darf passieren, denn man steht nicht mehr allein da – niemals wieder.
Erst in der Nachschau wird man erkennen, was sich alles getan hat, seit dieser Mensch aufgetaucht ist. Anfangs übersieht man die zahlreichen Entwicklungen, die da losgetreten werden.
Übrigens hatte ich von dieser Begegnung tausend Vorstellungen. In jeder einzelnen habe ich mich geirrt.

Ich hoffe, euch ist nun nicht die Lust vergangen – denn ich persönlich würde es nie wieder anders haben wollen.
Nichts zieht mich zurück zu den verkrusteten und überholten Glaubenssätze in mir. Nie wieder will ich verbogene Abbilder meines Selbst verkörpern, um irgendwem zu gefallen. Keine Angst möchte ich mehr empfinden, wenn es Zeiten des Alleingangs gibt – weil ich nie wieder allein sein werde. Selbst wenn dieser Mensch auf den Mars zieht, zehn Jahre Schweigen herrscht oder uns die Streitlust zum Verhängnis wird: Wir werden aufeinander aufpassen. Auf welcher Ebene auch immer. Insgeheim wissen wir das, auch wenn die Egos aufeinander prallen und die Ratio dazwischengrätscht. Soll sie doch. „Die Seele nimmt keine Rücksicht auf Alltagskompatibilität und rationale Aspekte“, sagte einst ein lieber Freund von mir – und dafür kann ich ihm nur applaudieren.

Wo wir gerade bei fremden Worten sind: Folgendes Gedicht, das ich vor Jahren zum ersten Mal las, hat mich schon damals eigenartig berührt:

Du suchst lange – Moll und Dur und Moll
werden lebend unter deinen Händen.
Und dann schlägst du plötzlich eine Taste an,
und – es kommt kein Ton.
Und das Schweigen ist dir wie ein dumpfer Hohn,
denn du weißt es plötzlich ganz genau:
Dieser fehlt dir. Wenn ihn deine Hände fänden,
fiele ab von deinem Lied der Bann,
wär’ das Ende nicht mehr leer und grau.

Um den ungespielten Ton wirst du nun ewig bangen,
bangen um das Glück, das dich nur leicht gestreift
in den leisen Nächten, wenn der Mond dich wiegt
und die Stille deine Tränen nicht begreift.

Meerbaum-Eisinger (1941)

Ich weiß nicht, warum, aber jetzt kommt mir auch noch eine Textpassage aus dem Buch „Eat, Pray, Love“ in den Sinn.
Es soll da einen Magneten geben, der irgendwo zwischen Bauch und Brust sitzt und uns auf irgendeine Art und Weise zum anderen hinzieht. Die Seelen, vor allem jedoch die Körper „erkennen“ einander. Dabei existieren keinerlei allergische Reaktionen, keine falschen oder unangenehmen Berührungen. Ein Körper lügt nicht, denn auf dieser Ebene herrscht natürliche Selbstverständlichkeit. Die Protagonistin fragt sich, ob es sich gut anfühlt, seinen Bauch an den des anderen zu schmiegen.
Dies entlockte mir beim Lesen ein Lächeln. Ich habe die Vorstellung in einige Richtungen gewälzt und wirken lassen, bevor ich ihr gestattet habe, in meinen Bauch abzugleiten und sich auszubreiten.
Dann lächelte ich wieder. Und mein Bauch fühlte sich … gut an.

PS: Ich erwähnte weiter oben die alten Seelen. Ein Text im Netz, der mir vor ein paar Tagen unterkam, erweitert dieses Bild auf interessante Art und Weise. Hier stand, dass alte Seelen zumeist ihr Leben lang den Stempel des Außenseiters tragen, des seltsamen Menschen – der, der anders ist. Sie haben einen Hang zum Grübeln und zur Analyse und einen ausgeprägten Freiheitsdrang, der sie eher alleine leben lässt, statt zu große Kompromisse einzugehen. Der Weg zur Intuition scheint schwer, der Kopf will alles entscheiden. Da sie die Distanz zur Gesellschaft präferieren, kann man sie moderne Eremiten nennen. Unverständnis ist ihr täglicher Begleiter und deshalb wählen sie oft die Isolation und finden meist andere alte Seelen, die dies mit ihnen teilen.

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