Gedankensplitter

Was muss man alles im Sommer?

Dem Nächsten, der mich fragt, wohin es denn im Sommer gehe, antworte ich: „Nach Usbekistan.“ Oder: „Zum Mars.“ – Diese Frage weckt in mir den Wunsch, etwas völlig Unsinniges zu erwidern.

Möglicherweise habe ich die Verabschiedung eines Gesetzes verpasst, das es vorschreibt, im Urlaub wegfahren zu müssen. Oder ich gehöre einer gesellschaftlichen Randgruppe mit fragwürdiger Daseinsberechtigung an, weil ich im Sommer zu Hause bleibe.

Jeder, der gern verreist – und sei es ans andere Ende der Welt –, soll das bitte tun, mit Freude und dem Stress von An- und Abfahrt.
Selbstverständlich kann man Reisen reflektiert und mit schönen persönlichen Zielen angehen, aber in den Urlaub zu fahren, weil August ist oder weil es der Nachbar ebenfalls tut, scheint mir unnötig. Ich kenne die Argumente: Zu Hause kann man sich nicht erholen, man will die Welt sehen, man braucht einen Tapetenwechsel, das Wetter hier ist zu unbeständig …

An dieser Stelle bitte ich jedoch darum, auch die Gegenargumente gelten zu lassen: Vielleicht gibt es daheim einen Menschen oder ein Tier, das man ungern alleine lässt. Vielleicht hat man mit dem Geld, das in zwei Wochen auf Nimmerwiedersehen am All-inclusive-Büffet verschwunden ist, besseres vor und investiert es lieber in etwas, wovon man länger zehrt – eventuell sogar Jahre? Möglicherweise weiß man um den körperlichen Stress, den so eine Fernreise in einem auslöst und der damit der gewünschten Erholung schadet; ganz zu schweigen vom Ärger über den fehlenden, aber natürlich vorausgesetzten „Zuhausestandard“ am Zielort?

Jetzt allerdings folgt der rebellischste Grund überhaupt: Was, wenn man es daheim am schönsten findet? Wenn man einfach einmal sein Zuhause ohne Arbeit genießt, es sich im Garten gemütlich macht und einem nichts fehlt? Was, wenn bereits alles da ist und man nach nichts sucht? Wenn einem das äußere Wetter egal ist, weil das innere passt, und man keinen Reiz von außen braucht, um sich erfüllt zu fühlen? Vielleicht teilt der richtige Mensch die Blase, in der ich mich niedergelassen habe, und der Rest interessiert mich gar nicht?
Und was, wenn ich bei schönem Wetter überhaupt nicht rausgehen möchte? Diese Vorliebe traue ich mich kaum auszusprechen.

In Ordnung, genug davon. Lasst euch die Reisefreude nicht verderben! Ich wünsche jedem von euch, der wegfliegt, wegfährt oder weggondelt, einen wunderbaren Urlaub – und all denen, die es nicht tun, ebenso!

Ich google jetzt mal das Wetter in Usbekistan …

10 Kommentare zu „Was muss man alles im Sommer?

  1. Mal wieder sehr schön ausgedrückt, liebe Heidi!

    Ich verreise selber nicht besonders gern. Mein eigenes Bett ist mir am liebsten, meine eigene Dusche, meine eigene Küche. Eine vertraute Umgebung. Klar packt mich mal das Fernweh, und dann fahre ich weg – aber ich brauche keine großen Fernreisen, nur einen kurzen Tapetenwechsel und dann bin ich wieder froh, zuhause zu sein.

    Das trifft auf viel Unverständnis. „Du verpasst so viel.“ Na und? Wen geht’s denn was an außer mich selbst? „Du musst doch mal was von der Welt sehen!“ Was ich von der Welt mitbekomme, gefällt mir nicht besonders. „Du kannst doch nicht nur bis an die Nordsee fahren.“ Und wie! Die Nordsee ist mein Sehnsuchtsort, und nur, weil ich dafür nicht in den Flieger steigen muss, sondern bloß ein paar Zugstunden brauche – falls ich mich denn mal aufraffe – ist dieser Sehnsuchtsort nicht besser oder schlechter als die Malediven.

    Genießen und genießen lassen! Ich rede ja auch keinem seine Fernreise madig, nur, weil ich persönlich da keine Lust drauf hätte 😉

    LG Anna

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  2. Herrlich, liebe Heidi.
    Ich gehöre auch zum Club der Sommer-Im-Garten-Verbringerinnen..

    Und was mich letztens wirklich irritiert hat: fragt mich die neue Freundin unseres Sohnes, ob wir eigentlich schon mal ausserhalb von Deutschland Urlaub gemacht hätten? .. selbst wenn nicht.
    Meine Antwort: wir tun das, was uns glücklich macht.

    Tja, lasst uns das Leben genießen… wo und wie auch immer.

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  3. Tatsächlich nervt mich das auch sehr. Und wie verwundert man ist, wenn ich sage, dass wir erst im Herbst wegfahren werden. Immerhin hab ich eine gute „Ausrede“, um mir wenigstens im Büro weitere Nachfragen zu ersparen: „Im Sommer lasse ich denen, die Kinder haben, den Vortritt.“ Das scheint dann jede:r besser zu verstehen als meine eigene Unlust, im Sommer mit den Massen Urlaub zu machen…

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    1. Keine schlechte Idee, das mit dem Herbst. 😉 Generell meide ich Orte, wo viele Menschen sich versammeln, gepaart mit Hitze kaum auszuhalten. Hätte ich Kinder, wäre es vielleicht anders, aber so habe ich das schlechte Gewissen abgelegt, bei Badewetter lieber Filme zu gucken …

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