Ihr fragt euch, was an Manipulation wunderbar sein kann? Das habe ich mich auch gefragt. Aber vielleicht versteht ihr mich am Ende dieses Beitrags besser.
Vor einiger Zeit habe ich einmal dem Vortrag eines Musikwissenschaftlers beigewohnt, in welchem über das ungenutzte Potenzial der Musik und ihre unermesslichen Weiten referiert wurde. Von allem, was im Grunde unser Ohr erreichen könnte, wird nur ein Bruchteil auch wirklich gehört. Spannend.
Im Anschluss daran führte ich ein Gespräch mit einem der kreativen Köpfe hinter der Veranstaltung. Wir sprachen über die Macht der Manipulation, derer man sich durch das Medium Musik bedient: Fahrstuhlmusik, Supermarktbeschallung, Weihnachtsliederberieselung, Tränendrüsendrücker in Liebesfilmen, Hymnen in Heldenepen … die Bandbreite ist immens. Manches ist uns bewusst, anderes hingegen geschieht ziemlich subtil.
Darüber habe ich lange nachgedacht. Zum einen hatte ich mich dem Universum der Töne bis dato ausschließlich emotional genähert und wäre nicht auf die Idee gekommen, die magische Klangwelt in ihr Skelett zu zerlegen oder gar wissenschaftlich zu betrachten. Zum anderen wehrte sich etwas in mir gegen das Wort Manipulation. Will ich das mit mir machen lassen? Auf keinen Fall! Oder etwa doch …?
Liebe ich nicht gerade diese samtig-dunkle Melancholie, die mich einhüllt, wenn ich Pearl Jam höre? Lasse ich nicht freiwillig zu, dass Rockmusik all meine Zellen in eine fast archaische Schwingung versetzt, ja, fordere es geradezu heraus?
Ich kokettiere damit, wenn die sinnliche Lady in mir den roten Lippenstift aufträgt und „très français“ die Stola umwirft, während sie Vanessa Paradis’ „Mi Amor“ lauscht, und lasse mich in ganz eigenen Momenten von Thievery Corporation in eine verwegen-sehnsüchtige Stimmung voll verblasster Großstadtlichter versetzen, mittten hinein in eine Zeit, in der alles möglich schien.
Hört euch einmal die Stücke eines Filmsoundtracks ohne die zugehörigen Bilder an: Im Kino, wenn visuelle und akustische Eindrücke eine Symbiose eingehen, überläuft einen die Gänsehaut – zu Hause auf dem Sofa fehlt dieser Effekt.
Früher bin ich oft mit dem Hund an der Leine und den Kopfhörern im Ohr durch die Natur gestreift. Ein jedes Blatt, ein jeder einzelne Halm verlieh den Klängen einen unvergleichlichen Zauber … oder war es umgekehrt? Irgendetwas in mir hat es jedenfalls größer gemacht.
Es gibt Momente, da ertrage ich keine Musik. Gar keine. Da ängstigt sie mich, verstärkt wie ein Bergkristall jede meiner Gefühlsregungen. Manchmal flößt sie mir gehörigen Respekt ein, denn Töne erzeugen Bilder in meinem Kopf. Ähnlich wie bei Filmen konsumiere ich Musik nicht, um mich nebenbei berieseln zu lassen, sondern ausgewählt und bewusst. Täglich erschaffe ich mir den Soundtrack zu meinem augenblicklichen Emotionsgobelin. Manchmal eben auch ohne Lieder.
Oh ja, ich will mich berühren lassen, mich der Traurigkeit und der Freude hingeben, will erst angeregt und dann wieder zum Schweigen gebracht werden, am liebsten vom Universum der Klänge. Denn was wäre ein Leben ohne sie?
Still. Im verstörendsten Wortsinn.
Wunderschön zu lesen und zu fühlen … 😉
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Vielen Dank, das freut mich sehr!
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Sehr interessanter Artikel. Manipulation? Manipulation liegt vor, wenn ich beeusst zu etwas gebracht werden soll, welches ich möglicherweise gar nicht möchte. Musik kann nur manipulieren, wenn sie mich dazu bringen soll einen Deal einzugehen, den ich nicht wollte. Weohnachtsmusik im Kaufhaus. Aber so ziemlich jeder weiß das. Daher ist das keine Manipulation im herkömmlichen Sinne. Musik ist zu 99 Prozent von allen Menschen gewünschte Wahrnehmungsverschiebung. Diese macht Emotionen in uns lebendig. Ja und ohne Musik wäre das Leben Gefühl särmer und das ganz wesentlich. Und manipulieren kann man nur Menschen, die sich ihrer Selbst wenig bis gar nicht bewusst sind. Bewusste Menschen sehen, fühlen, hören und erkennen was um sie berum und in ihnen passiert. Nehmen war und reflektieren. Daher liegt es wohl an jedem selbst, ob er manipuliert werden kann, will oder eben nicht.
Lg Aris
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Das denke ich auch, leider unterliegt Bewusstsein nicht dem so genannten freien Willen, von daher wird es immer Manipulation geben.
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Ich denke das Bewusstsein ist unser freier Wille. Das Unterbewusstsein ist voller Manipulationen, die es bei jeder Gelegenheit dem Bewusstsein offeriert. Denn das Unterbewusstsein ist allein ein Informationsverarbeitungszentrum. Es hat keine Funktion die es selbst hinterfragen könnte. Das kann nur unser Bewusstsein.
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Danke dir! Es ist wahrscheinlich ein Unterschied, ob wir dazu „verführt“ werden, Dinge zu tun, die wir so eigentlich nicht wollten oder einfach unsere Gefühlswelt mit Musik bereichern, eben ähnlich wie ein Soundtrack das mit Filmszenen macht. Bewusst zu bleiben ist nie ein Fehler, das sehe ich genauso! Liebe Grüße zurück!
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