Meinungsfreiheit ist ein demokratisches Grundrecht – und das soll auch genau so bleiben. Nur wird der Begriff „Meinung“ heutzutage arg strapaziert: Jeder hat eine zu nahezu allen Themen, pocht auf seine Sicht der Dinge und begründet sie mit Bauchgefühl und Intuition. Dabei handelt es sich jedoch nicht selten um persönlichen Geschmack, Weltbild, Überzeugungen und Glaubenssätze. Und manchmal dient sie der Argumentation für die eigenen Befindlichkeiten und Interessen. Zensur lehne ich grundsätzlich ab; ich bin gegen Beschneidung oder gar das Verbieten freier Äußerung von Ansichten. Aber darf man tatsächlich alles abnicken, tolerieren oder zumindest unkommentiert stehenlassen?
Wie sieht es aus, wenn ein Mensch sich offensichtlich in völlig wirre Gedankengänge verirrt, sich beeinflussen und manipulieren lässt von geschickter Polemik? Wenn er Zerrbildern von selbsternannten Experten nachläuft, die Erhellung, Offenlegung, Heilung oder die Manifestation aller Wünsche und Sehnsüchte versprechen? Oder noch schlimmer: politischen Trends, die äußerst fragwürdig daherkommen und die Demokratie akut bedrohen? Was tut man, wenn er die zugehörigen Narrative wieder und wieder reproduziert? Weil das eben seine Meinung ist? Weil ihm das sein Bauch oder seine angeblich äußerst feine Intuition sagt, die ihm stets gute Dienste erweist? Soll man dann danebenstehen und ihn in seinem Glauben lassen, obwohl Fakten, belegbare Argumente und manchmal auch nur ein gesunder Hausverstand dagegen sprechen?
Das Schlagwort „Intuition“ wird mittlerweile ebenso inflationär verwendet wie „narzisstisch“, „toxisch“ oder Ähnliches. Ich wage allerdings zu behaupten, dass sie nicht halb so oft zum Einsatz kommt wie gedacht. Es wird unterschätzt, wie mächtig sie von Ego und eigenen Verhaltensmustern überlagert sein kann.
Reine Intuition ist eine kurz aufflackernde Emotion, die wahrscheinlich nicht länger als eine Sekunde andauert, bevor sie von den auf sie folgenden Gedanken gekapert wird. Sie mag in der Lage sein, Hilfestellung bei Entscheidungen zu leisten, aber eine Meinungsbildnerin ist sie nicht.
Ich denke, es gibt Dinge, da reicht es nicht, eine Meinung zu haben – eine Meinung frei von jeder vernünftigen Erklärung oder einer fundierten Basis, dafür aber gern von fragwürdiger Moral. Ist eine einfache Meinung bei Themen wie Massentierhaltung, dem Klimawandel oder den aktuellen politischen Entwicklungen rund um den Erdball wirklich genug?
Hier würde ein klar umrissener Standpunkt, der einer tiefergehenden Recherche standhält, durchaus nützlich sein. Ausreichend Information, Quellenprüfung und eine solide Medienkompetenz sind wichtige Pfeiler dieses Erkenntnisgewinns.
Früher habe auch ich mich viel zu schnell fangen lassen. Wenn etwas gut und richtig klang, ging mein Bauch fast selbstverständlich in Resonanz, ohne viel zu hinterfragen. Dabei hab ich Intuition mit Angst und Wunsch mit realen Tatsachen verwechselt. Heute bin ich kritischer.
Es ist wunderbar sowie empfehlenswert, sich seines „Bauchhirns“ zu bedienen. Aber das Ergebnis dann einer zusätzlichen Analyse zu unterziehen, kann auf keinen Fall schaden. Gefühl und Ratio geben ein unschlagbares Team – wenn man sie als das Paar erkennt, das sie sind. Dann spricht man auch nicht mehr von bloß einer Meinung, sondern von einem Standpunkt, der sich nicht dreht wie das berühmte Fähnchen im Wind …

…..wieder mal ein Beitrag, der mir aus der Seele spricht. Sich den Unterschied zwischen einer Meinung, einem Standpunkt und einer Analyse klarzumachen, würde schon oft helfen. Aber es ist halt viel einfacher, sich auf die eigene Meinung zu berufen und dabei irgendwelche Stereotypen nachzuplappern.
Machen wir es besser!
In diesem Sinne einen wunderschönen Sonntagabend
Erika
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Danke, liebe Erika! Ich wünsche dir eine schöne Woche.
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