Beauty&Wellness · Gesundheit

Unebenheiten

Mögen wir es nicht alle ganz gern, wenn etwas glattläuft? Kleine Stolpersteine, Schwellen und sonstige Unebenheiten werden zumeist als eher hinderlich empfunden. Meine Erfahrung der letzten Zeit war eine ganz andere – nicht direkt neu, aber sie hat mich gewisse Zusammenhänge erkennen lassen.

Über ein halbes Jahr musste ich mich mit einem sehr lästigen Leistenschmerz auseinandersetzen. Am schlimmsten wurde er, wenn ich länger auf geraden Straßen laufen musste – ganz egal, ob Asphalt oder Waldboden.
Man fand keine direkte organische Ursache. Meiner Hüfte attestierte man noch gute 100.000 km, was ich in Anbetracht der Tatsache, dass ich bereits nach dreihundert Metern das Bedürfnis nach einer Bank hatte, für ziemlich gewagt hielt.

Als Therapeutin versuchte ich natürlich, an allen möglichen Ecken und Schrauben anzusetzen. Es lag nahe, dass das Problem eine Dysbalance der Muskulatur, der Faszien und eine daraus resultierende Überlastung der passiven Strukturen sein könnte. Am Ende halfen mir die einfache, klassische Massage, Qigong und Übungen auf dem Balancepad. Wer es nicht kennt: Das ist eine rechteckige, ca. drei Zentimeter hohe Schaumstoffplatte, auf der man den Gleichgewichtssinn und die Tiefenmuskulatur trainieren kann.
Rein intuitiv nahm ich wahr, dass meinem Körper alles Probleme bereitete, was ihn dehnte oder irgendwie „auseinanderzog“. Hielt ich ihn beisammen und stabilisierte ihn, war alles gut. Diese Tatsache ließ ich vorerst im Raum stehen.

Schließlich stand meine Schwedenreise an, und ich wusste, ich würde da viel wandern gehen. Ihr könnt euch vorstellen, dass die Gedanken daran nicht immer von Zuversicht geprägt waren. Ich tat mein Bestes, es einfach auf mich zukommen zu lassen.
Dass ich im Nationalpark Tiveden, den wir gleich als Erstes besuchten, dezent aufgeregt war, dürfte sich von selbst erklären. Doch nach drei Stunden des Wanderns über Stock und Stein (im wahrsten Sinne des Wortes, umgestürzte Bäume waren auch noch dabei!) war ich nicht nur erschöpft, sondern auch glücklich – und höchst verwundert. Ich hatte keine Schmerzen, weder dabei noch hinterher. Gar nicht. Auch nicht in der Nacht oder am Tag danach.
Dieser Wanderung sollten noch einige sportlich knackige Touren folgen – mit dem gleichen Ergebnis. Gingen wir jedoch auf ebenen Waldpfaden, tauchte das Echo des Schmerzes auf.

Schließlich setzte ich in meinem Kopf zwei Dinge zusammen – das Balancepad und die unebenen Wege, die den Körper auf ähnliche Art und Weise trainieren. Nicht umsonst finden sich in Reha-Zentren künstlich erstellte, unebene Parcours, wo das Gleichgewicht und die Reaktion der Tiefenmuskulatur darauf trainiert werden.

Eine unserer größten physischen Herausforderungen stellt unser tägliches Austarieren gegen die Schwerkraft dar. Der menschliche Körper ist in drei Ebenen unterteilt: die frontale, die sagittale und die transversale. Befinden wir uns innerhalb dieser genau in unserem Mittelpunkt, haben wir im Optimalfall keine Probleme. Nur tritt dieser Idealfall selten ein. Wir gehen, sitzen, stehen oder liegen oft in den nicht vorteilhaftesten Positionen, verspannen den einen und vernachlässigen den anderen Teil unseres Bewegungsapparates. Dadurch entsteht ein muskuläres Ungleichgewicht, was wiederum den Zug der Faszien negativ beeinflussen kann: Irgendwann entsteht Schmerz.

Beim Wandern passierte ganz natürlich, was auch auf dem kleinen Balancepad geschieht: Ich hielt meinen Körper beisammen, versuchte, nicht zu fallen und beanspruchte meine Muskulatur dreidimensional und abwechslungsreich statt monoton. Ich bewegte mich ganz bewusst weg vom Mittelpunkt der drei Ebenen, hielt mit der Körperkraft und der Koordination dagegen.

Dehnungsübungen, Faszienrollen und -behandlungen, Stromtherapie und Wärmeanwendungen können helfen, aber wenn ich euch etwas ans Herz legen darf, dann bringt euch immer wieder einmal aus dem Gleichgewicht. Sei es durch Balancepads, einen Kreisel, einen Pezziball, auf einer MFT-Platte oder von mir aus auch auf einem Skateboard, wenn es euch Spaß macht.

Am schönsten und einfachsten ist es aber wahrscheinlich im Wald oder auf einem Berg, wenn euch Wurzeln, Bäume oder einfach nur einige Mooshügel den Weg „erschweren“ …

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