Schlüssellochmomente

Aus: „Bergwunder“

In meinen „Schlüssellochmomenten“ nehme ich euch auf eine kleine Reise durch die Welt der atmosphärischen Bilder, die ich durch lyrischen Ausdruck zu malen versuchte, mit. In Auszügen aus Kurzgeschichten, die ich im Laufe der Jahre zu meinem eigenen Vergnügen schrieb, will ich bloß einen flüchtigen Moment des Einblicks gewähren – und euch damit anregen, euren eigenen Gedanken freien Lauf zu lassen und den Moment weiterzuspinnen …

Sie schlief tief und traumlos, deshalb fühlte sie sich am nächsten Morgen ausgeruht und bereit für die Eindrücke, die ihr das Leben an diesem neuen Tag zu bieten hatte.
Er holte sie pünktlich ab und nebeneinander machten sie sich auf. Immer wieder erklärte er ihr die Pflanzen am Wegesrand und lächelte, wenn sie sich niederkniete, um eine kleine Blüte zu streicheln. Ihr Ziel war ein kleines Dorf ziemlich weit oben in den Bergen, das man in einem halben Tagesmarsch erreichen konnte und von welchem er ihr erzählte, dass es magisch sei. Komfort gebe es dort zwar kaum, aber dafür finde einmal im Jahr ein Fest zur Sonnenwende statt, das man erlebt haben müsse. Man sei danach nicht mehr derselbe Mensch wie vorher, meinte er geheimnisvoll. Die Wolken, die sie auf ihrem Weg begleiteten, wirkten an manchen Stellen fast zum Greifen nah.

Obwohl die Wanderung für sie anstrengend und ungewohnt war, genoss sie jeden Augenblick. Beinahe genoss sie sogar den leichten Schmerz in den Muskeln, denn sie konnte sich nicht erinnern, wann sie sich zuletzt so lebendig gefühlt hatte. Ihr Körper trat in Resonanz mit der Natur und hieß die Magie der Pflanzen- und Tierwelt in ihrem Inneren willkommen.

Neben dem Duft mancher Blüte hing noch ein anderer Geruch in der Luft. Ein Hauch von etwas Großem, das sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht einordnen konnte. Noch wollte sie der bedrohlichen Naturgewalt keinen Raum in ihrem Bewusstsein geben. Noch wollte sie die dunklen Wolken, die sich hinter ihnen zusammenbrauten, nicht wahrnehmen. Sie bemerkte nicht, dass sein Blick jenen Wolken bereits folgte, begleitet von einem leichten Stirnrunzeln. Sie war versunken in die Betrachtung der Natur, eingetaucht in die Gegenwart des Mannes neben ihr; dieser Mann vermochte es, einen in den Moment zu hüllen, den man mit ihm teilte.

6 Kommentare zu „Aus: „Bergwunder“

  1. So etwas hatte sie noch nie erlebt. Sie kannten sich noch nicht lange und gleichzeitig hatte sie das Gefühl, ihn schon eine Ewigkeit zu kennen. Da ging etwas Vertrautes von ihm aus. Und wann immer sie etwas zusammen unternahmen, fühlte sie sich in seiner Gegenwart sehr wohl. Da gab es keine Zwänge, kein so tun als ob. Mit ihm zusammen konnte sie einfach sein und den Moment genießen. Sie fragte sich immer wieder mal, was das zu bedeuten hatte. Konnte es sein, dass sie sich verliebt hatte? Sie war sich nicht sicher. Auch seine Signale konnte sie nicht deuten und beschloss vorerst, es auch nicht zu versuchen. Dafür war der Moment gerade viel zu kostbar.

    Das Licht begann sich zu verändern und sie konnte nicht länger ignorieren, was sich da hinter ihr am Himmel aufbaute. Bedrohlich und gleichzeitig faszinierend. Die dunklen Wolken bildeten einen krassen Kontrast zum blauen Himmel auf der anderen Seite. Das Sonnenlicht verstärkte diesen zusätzlich und die Farben wirkten noch intensiver als vorher. Es war windstill und kein Laut zu hören. Die Vögel waren verstummt und sie erkannte die sorgenvolle Miene ihres Begleiters. „Ich fürchte, bis ins Dorf schaffen wir es nicht mehr. Da kommt ein heftiges Gewitter auf uns zu.“ Sie schaute in den Himmel und so langsam wurde es ihr doch etwas mulmig zumute. „Und was machen wir jetzt? Den Berg runter schaffen wir es doch bestimmt nicht mehr.“ „Nicht weit von hier ist eine Schutzhütte. Wenn wir uns beeilen erreichen wir sie vielleicht noch, bevor der Regen einsetzt.“ Unwillig löste sie sich vom Anblick der sie umgebenden Natur und sie beschleunigten ihre Schritte. Als die ersten dicken Tropfen fielen, sahen sie die Hütte und rannten das letzte Stück. Gerade noch rechtzeitig erreichten sie die kleine überdachte Veranda. Während er den Schlüssel suchte, zuckten die ersten Blitze über den Himmel und ein noch entferntes Donnergrollen war zu hören. Ihre Augen klebten fasziniert an diesem Schauspiel, dass sich zu einem gewaltigen Naturereignis aufbaute…

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