Es gibt Themen, die sind nach wie vor ein Tabu. Die Gesellschaft rühmt sich zwar, immer offener und fortschrittlicher zu werden, hält jedoch an manchen Stellen starr an ihren Konstrukten fest. Man überlegt und hütet sich lange, offen darüber zu sprechen. Aber vielleicht sollte man es gerade deshalb tun. Es wird da draußen immer einige geben, die aufatmen und sich ein kleines Stück weit mitgenommen fühlen. Also wage auch ich mich aus meiner Komfortzone.
Ich habe keine Kinder – und war damit lange Mitglied einer Randgruppe, die nicht den Konventionen entspricht. In meinem Fall ist der Grund nicht, dass ich keine bekommen konnte, nicht den richtigen Partner dafür gefunden oder gar etwas gegen Kinder habe, nein. Kinder mögen mich und ich mag Kinder. Sehr sogar. Ich finde sie großartig. Von diesen Wesen können wir uns eine Menge abschauen. Zahlreiche Kinder kommen zu mir zur Therapie und die meisten schenken mir ihr uneingeschränktes Vertrauen. Vielmehr war es eine ganz bewusste Entscheidung, die ich bereits früh in meinem Leben getroffen habe. Genauer gesagt im Teenageralter.
Vorerst war es eine Ahnung. Diese verfestigte sich allerdings recht bald. Ich habe weder eine traumatische Erfahrung machen müssen noch habe ich eine andere Frau so darüber reden hören, dass ich mich außerstande oder abgeschreckt sah. Ich fühlte es schlicht und ergreifend nicht, sah mich nicht in der Rolle einer Mutter.
Ich glaube, ich hatte früh das Gefühl, zunächst dem Kind in mir seinen Raum geben zu wollen. Erst sollte dieses sich etablieren, seinen Platz finden und sich angekommen fühlen. Ein reales Kind sollte nach meinem Verständnis eine Mutter bekommen, die sich dieser Rolle gewachsen sieht, die tief drinnen weiß, dass sie sich um ein so zartes Geschöpf kümmern und es großziehen will.
Ich habe einige Frauen getroffen, die mir anvertrauten, dass sie selbst niemals Kinder haben wollten. Irgendwann war jedoch der Druck vom Ehemann, den Eltern und der Gesellschaft so groß, dass sie klein beigeben mussten. So etwas darf nicht im Verborgenen bleiben. Eine Frau, die sich bewusst zur Kinderlosigkeit entschließt, sollte sich niemals Vorurteilen oder dem Vorwurf des Egoismus ausgesetzt fühlen. Es ist ihre Entscheidung, weil es ihr Leben ist – und das eines Kindes, das unter fragwürdigen Umständen das Licht der Welt erblicken würde.
Auch ich bekam früher von Mitleid über Unverständnis bis hin zu teilweise ziemlich übergriffigen Fragen so einiges serviert. Inklusive der Prognose, dass ich das später einmal bereuen würde – und außerdem auf meine Pensionsvorsoge verzichte. Da können einem schon mal die Worte fehlen.
Es gibt unzählige Arten, auf die eine Frau ihr weibliches Potenzial, ihre Kreativität und ihre Fürsorge ausleben kann. Dabei sollte sie sich nicht beschränken lassen oder sich seltsam fühlen. Mit ihr ist alles in Ordnung, sie hat sich einfach nur für ein anderes Lebensmodell entschieden.
Mütter widersprechen mir womöglich, aber diverse Studien aus der Verhaltensforschung haben gezeigt, dass kinderlose Frauen sich oft ausgeglichener, ja, glücklicher und zufriedener fühlen, weil sie mehr Zeit für ihr eigenes Leben haben.
Ich will hier keine Werbung für einen Lebensentwurf betreiben, nur denjenigen Mut machen, die sich scheuen, zu ihrem Gefühl oder ihrer Entscheidung zu stehen. Es ist völlig okay, wenn ihr keine Kinder bekommen wollt. Es ist völlig okay, wenn ihr euer Leben so gestaltet, wie ihr es für richtig haltet und wie es sich für euch gut anfühlt. Ihr seid keine Egoistinnen!
Vielleicht weniger, als würdet ihr ein Baby in die Welt setzen, nur weil Traditionen es einfordern oder es das Bild der heilen Familie abrunden würde …

Hallo, Heidi – danke für den wertvollen Einblick. Vor allem, auch, die weibliche Seite. Es sollt ja eigentlich gleich sein von Mann zu frau, die Kinderlosigkeit, ist es aber wohl nicht. Wobei ich nicht sagen mag, ob es da wer einfacher hat. Ich selbst bin auch kinderlos, wobei ich da eher so reingerutscht bin. Geplant war da nichts. Ich werde in zwei Jahren 50, ich habe mich nie gesträubt, es aber auch nie forciert. Und die Beziehung waren immer zeitig genug zu Ende, um es nie real werden zu lassen. Und seit über zehn Jahren trreffe ich Frauen, die „aus dem Alter raus“ sind, was physisch gemeint sein kann, oft aber haben die schon ein oder zwei Kinder. Und sind „versorgt“. Als Mann wird dir meistens gesagt, dass du ja auch noch mit 60 Vater werden kannst. Und dann lachen immer. Mir scheint, irgendwer findet das echt witzig. Es stimmt zwar, aber die Vorstellung ist sehr ätzend, kein Mann schlawinert vonre rum, um hinten dann noch kurz vorm Ende, auf der letzten Rille Vater zu werden. Und man wird eben nie so richtig ernst genommen: Beschwer dich nicht, was soll denn eine Frau sagen? Stimmt, macht das eigene aber ja auch nicht weg. Nicht zu vergessen die Vorstellung, dass man womöglich doch ein Kind hat. Das kennen Frauen dafür nicht. Auch da lachen immer alle, finden das witzig. Wenn ich zur Frage, ob ich Kinder habe, sage: Nein – zumindest nicht, dass ich wüßte. Ich bin also kinderlos und weiß noch nichtmal so richtig, ob das stimmt. Aber lassen wir das, auch da gibt es schlimmere Schicksale.
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Hallo, David, hab Dank für deine Offenheit und deine Reflexionen aus der Sicht eines Mannes. Ich gestehe, über solche Aspekte auch noch nicht wirklich nachgedacht zu haben. Es ist spannend, als Frau ist dir der Weg zu einem Kind jedenfalls einmal von der Natur und der Biologie abgeschnitten – was aber natürlich auch eine gewisse Freiheit bedeutet, weil einem die Entscheidung abgenommen wird. Es kann also auch „nichts mehr (ungewollt) passieren“. Ich stelle mir das gar nicht einfach vor, wenn man als Mann, der ja als viel länger fruchtbar gilt, sich in reiferen Jahren diese Frage stellen muss: Will ich doch noch? Hab ich was verpasst, was noch unbedingt dazugehört?
Ich finde halt traurig, dass so etwas noch immer zu den Tabu-Themen gehört …
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Ja, wobei ich mir nicht sicher bin, ob es wirklich so unter „tabu“ läuft. Ich glaube das hat eher mit dem „nix“ zu tun. Wo nichts ist, ist schwer drüber zu reden. Ich kenne das aus einem anderen Bereich, es sind wohl viele Menschen asexuell. Wir leben aber in einer Welt wo sex sells, sex ders toff ist aus dem irgendwie alles ist, manchmal sehr, manchmal weniger, sex hat Bilder und Objekte, Irrnisse und Wirrnisse. Asexuell hat nix davon, asexuell ist weil es all das andere gibt. Atheisitisch ist ähnlich, agnostisch noch mehr. Kurzum: ich glaube man drint schwiergier vor mit dem Nichts, dass da nicht nicht ist…
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Irgendwie skurril, dass man nach wie vor ausgeht, dass Kinder ihre Eltern im Alter versorgen werden. 🥴
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Vielleicht gibt es mehr nicht nachvollziehbare Gründe, als man annimmt.
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Liebe Heid,
vielen Dank für dieses Bekenntnis. Ein Bekenntnis, das eigentlich weder Entschuldigung noch Rechtfertigung brauchen sollte. Jede Frau sollte die Freiheit haben, diese Entscheidung für sich zu fällen, und zwar ohne Druck von außen.
Das sage ich als zweifache Mutter, die ihre Kinder aufrichtig liebt. Aber ich weiß auch, dass mein Leben ohne Kinder eine vollständig andere Richtung genommen hätte. Es muss doch möglich sein, auch einmal darüber nachdenken zu dürfen!
Einen schönen Abend
Erika
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Liebe Erika, herzlichen Dank für deine ermunternden Worte, sehr wertvoll! Man sollte generell über alles nachdenken dürfen. Alles Liebe, Heidi
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Liebe Heidi,
ich merke gerade, dass ich mich darüber freue, die erste sein zu dürfen, die dir zu diesem Beitrag ein positives Feedback geben darf. Warum? Weil ich Mutter von vier Kindern bin. Freiwillig, ohne Druck, weil ich immer eine große Familie wollte und sicher auch von dem Wert geprägt, dass es einfach dazu gehört. Aber das wirklich nur am Rande. Und ich finde, dass du absolut Recht hast. Keine Frau sollte sich aus irgendeinem Grund schlecht fühlen oder rechtfertigen müssen, dass sie keine Kinder haben möchte. Denn sie sollte zu jeder Zeit selbst über ihr Leben bestimmen. Ob sie heiratet oder nicht. Ob sie Kinder möchte oder nicht. Ob sie Karriere macht oder nicht. Bei einem Mann würde das niemand hinterfragen. Aber eine Frau muss sich dann immer erklären. Muss sie übrigens auch, wenn sie mehr als 2 Kinder hat. Meine Lieblingssituationen waren auf die hinter meinem Rücken gestellte Frage „Haben die keine anderen Hobbies?“ „Nein, sorry. Und der Fernseher war leider kaputt“ und „Ja, sie sind alle vom selben Mann“ als gefragt wurde „ob die Kinder wohl alle den selben Vater haben.“ Es ist eine Frechheit, wenn andere sich das Recht herausnehmen, den Lebensentwurf eines anderen Menschen in Frage zu stellen. Und ob man es später bereut? Warum denn? Die Erfahrung, wie es gewesen wäre wenn, hat man ja bewusst nicht gemacht. Wie könnte man das bereuen, wenn man diese Entscheidung bewusst getroffen hätte. Würde ich es heute anders machen? Nein, weil es mein Wunsch war, der mich glücklich gemacht hat. Und ich möchte auch keines meiner Kinder missen. Was wir am Ende unseres Lebens bereuen, kann ein anderer gar nicht bestimmen. Und wenn wir am Ende unserer Tage mit unseren Entscheidungen glücklich sind, dann weil wir sie bewusst so getroffen haben. Kinder zu haben bedeutet eben auch ein Stück von sich aufzugeben. Und wieviel das ist, kann vorher keiner sagen, weil man nicht weiß, was auf einen zukommt. Und für eine Frau ist Mutter sein nicht alles. In dieser Gesellschaft gibt es nur leider wenig Platz und Akzeptanz für ein anderes Lebensmodell. Wenn sie nicht heiratet und Kinder bekommt, wird sie vielfach noch als Frau gesehen, mit der was nicht stimmt. Und das gehört abgeschafft. Sie ist ein Mensch mit Wünschen, Bedürfnissen, Vorstellungen und Zielen. Und niemand hat das Recht, ihr vorzugeben, was diese zu sein haben. Also danke für deinen Beitrag und ich hoffe, dass viele Frauen ihn lesen und sich mit ihrem Lebensmodell gesehen, verstanden und angenommen fühlen.
Euch allen einen schönen Sonntag
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Oh….ich war gar nicht die erste. Egal 🙂
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🤗⭐
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Ob erste oder nicht – dein Beitrag ist ein unglaublich wertvoller, vor allem aus der Sicht einer Mutter von vier Kindern. Dafür danke ich dir ganz herzlich. Ich gehe in jedem Satz mit dir.
Leider scheinen diese althergebrachten, traditionellen Bilder aktuell von diversen Staatsoberhäupten wieder hochgehalten zu werden – umso wichtiger, sich davon nicht irreführen zu lassen. 🙏
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Das habe ich gottlob anders erlebt. Ich war auch bereits seit dem Kindesalter sicher, nie Kinder haben zu wollen.
Und da konnte auch keiner etwas dran ändern. Im Gegenteil, ich geriet an Partner, die das genauso sahen und meine Freunde und Bekannten haben das ebenso akzeptiert, wie meine Familie.
Und jetzt kommts: ich habe das auch bis heute noch keinen Tag lang bereut. Was vielleicht damit zu tun hat, dass ich an einer Grundschule mit Kindern arbeite.
🙂
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Ich ließ mich auch niemals davon abbringen. In mir war immer alles ganz klar und richtig. Die Partner selbst hatten auch kein Problem damit, meist sind das Außenstehende, die sich eine Meinung anmaßen. Wie in so vielen Themen. 😉Umso wichtiger, dass man sich selbst so akzeptiert, denn alleine darum geht es.
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Ganz genau! 🤍
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