Gedankensplitter

Ist das anstrengend!

Mögt ihr es, euch anzustrengen? Liegt es euch, euch so richtig zu verausgaben, sei es im Beruf oder in der Freizeit? Ich sage es gerade heraus: mir nicht. Glaubt mir, es hat eine Weile gedauert, mir das einzugestehen und es heute auch auszusprechen.

Dabei will ich nicht alle Formen der Anstrengung in einen Topf werfen – es handelt sich vor allem um die körperliche. Lange habe ich versucht, meine Grenzen zu überschreiten. Einfach, um mitzuhalten und mich nicht selbst auszugrenzen. Das sollte sich jedoch nicht bewähren – und nicht nur einmal musste ich mit Schmerzen dafür büßen. Ich musste büßen, gegen mein Naturell gearbeitet zu haben, nur um meine Bereitschaft zu demonstrieren.

Schon als Kind konnte ich nicht nachvollziehen, was andere am Sportunterricht fanden. Wenn es grob und laut zuging, wenn man sich mit ganzem Körpereinsatz ins Gefecht werfen musste und Leistung im Mittelpunkt stand, ging in mir alles auf Abwehr. Wenn dann noch Bälle mit im Spiel waren, war ich draußen.
Ästhetische Gymnastik, die an Ballett oder Yoga erinnerte, oder auf einem Pferd zu reiten und mich der Natur nahe zu fühlen, wenn ich die Muskeln des Tieres unter mir spüren konnte – an so etwas fand ich Gefallen. Die Tiere streichle ich heute lieber, aber Gymnastik in jeder Form mache ich noch immer voller Freude an der Bewegung.

Als ich älter wurde, kam schließlich die Zeit, in der nahestehende Menschen ihre eigenen Häuser oder Wohnungen bezogen. Ich hoffte bei jeder Ortsveränderung in meinem Umfeld, dass man mich nicht fragen würde, ob ich Kisten schleppen helfe, im schlimmsten Fall noch über Altbautreppen. Renovierungsarbeiten, Kellerentrümpelungen oder Gartenarbeiten sind nichts, womit man mich in freudig vorauseilender Hilfsbereitschaft hinter dem Ofen hervorlockt.
Ich mag Spaziergänge, aber keine Gewaltmärsche. Wasser finde ich toll, aber nicht, um vom Dreimeterbrett zu springen oder meinen eigenen Rekord in Sachen Dauerschwimmen einzustellen.

Gern bin ich dir behilflich, wenn es darum geht, deine frisch gestrichene Wohnung in den richtigen Farben und stilistisch ansprechend einzurichten. Wenn du willst, können wir dafür stundenlang Kataloge durchforsten. Ich schreibe dir Texte, wenn dir selbst nichts einfällt, höre dir zu, wenn Sorgen dich plagen – aber bitte erwähle nicht mich, wenn du dein Holz bearbeiten oder deinen Garten umgraben willst.
Mit Vergnügen ordne ich dir alle Sender auf deinem neuen Fernseher und begleite dich danach zu einem Einkaufsmarathon, um dein nächstes Outfit zu erstehen – solange ich dir nicht den Kasten dazu aufbauen muss.

Viele von uns sind in einem Umfeld aufgewachsen, in dem es sich gehört, sich anzustrengen, auch einmal über die eigenen Kapazitäten hinaus. Alles andere wirkt faul, egoistisch oder desinteressiert. Jedoch hat jeder von uns andere Grenzen, einen anderen Körper und andere Anlagen. Es ist nie zu spät, für sich selbst einzustehen und zu sagen, dass man etwas nicht will oder kann. Immerhin löst es mitunter sogar Schmerzen aus, sich andauernd zu etwas zu drängen, was einem nicht entspricht.

Meine Superkräfte, die ich auch gern für meine Nächsten einsetze, liegen jedenfalls an ganz anderer Stelle. Zum Glück wissen das meine Menschen.

3 Kommentare zu „Ist das anstrengend!

  1. Gut, dass wir Menschen so verschieden sind, das ist die natürliche Balance, und damit doch vieles im Lot. Selbst, bin ich so ganz anders gepolt als du, verausgabe mich gerne. Es gibt Tage, da könnte ich alles niederreißen, da bleibt kein Stein auf dem anderen 😉 Es hat das auch etwas sehr Befreiendes, etwas geschafft zu haben, sei es mit noch so viel körperlicher Anstrengung verbunden.
    Aber wie du so schön gesagt hast, das muss jeder für sich selbst herausfinden bzw. entscheiden.

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    1. Richtig, es lebe die Vielfalt! 😉 So können wir uns gegenseitig entweder mal einbremsen oder auch anspornen – je nach Bedarf! Diese angenehme Müdigkeit, die einer Wanderung folgt, die mag ich auch. Aber generell geh ich es gerne ruhiger an. 😉 Liebe Grüße an dich.

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