Gedankensplitter

Hausbewohnerin, inkl. Garten

Ich erinnere mich an einen Text, den ich geschrieben habe, als ich nach Jahren in der Stadt wieder in ein Haus mit Garten zog. Ich finde, er passt jetzt ganz gut, wo die Natur gerade in voller Blüte steht. Hier also meine ersten Erlebnisse mit einem Garten, abseits vom Sandkastenspielen in der Kindheit:

Ein Jahr ist vergangen, seit ich in mein Haus gezogen bin. In mein Haus mit Garten. Die Zeit nach dem Umzug war von gemischten Gefühlen bestimmt. Ebenerdig, offen, eigenes Grundstück; keiner, der mit mir Wand an Wand lebt. Umgeben nur von Bäumen, Sträuchern und rustikalen Steinmauern. Ich gestehe, anfangs fühlte ich mich ein wenig wie ein Gast auf unbekanntem Terrain.

Mein Einzug wurde mit Jahreszeiten eingeläutet, die es in sich hatten. Sie präsentierten sich, als würden sie sich mir in all ihren Facetten vorstellen wollen. An einen äußerst laubreichen Herbst, der mir mit Rechen und Besen die ersten Versuche in Sachen Gartenarbeit abrang, schloss ein langer und schneereicher Winter an, in dem ich lernen durfte, dass man auch bei Minusgraden schwitzen kann – nämlich dann, wenn man einen schlangenförmig gewundenen Weg ausschaufelt, um ins Innere zu gelangen. Wer braucht da noch ein Fitnesstraining?

Es folgte ein wechselhafter, feuchter Frühling, in welchem ich der Natur beim Wiedererwachen zusehen konnte. Ich wurde Zeuge eines beeindruckenden Schauspiels von bunten Knospen und überwältigendem Grün. Der Baum meines Nachbarn trug eine Woche lang rosafarbene Blüten, ein wahrer Farben- und Duftrausch! Jeden Morgen beim Verlassen des Hauses hielt ich inne und genoss dieses Fest der Sinne für ein paar Minuten.

Dann kam der Sommer und mit ihm eine Wüstenhitze von über vierzig Grad. Ich lernte, wie viel Wasser das Stück Natur braucht, das mir anvertraut und auf meine Hilfe angewiesen ist. Eine Freude, wenn sich ein vor Trockenheit gebeugtes Pflänzchen dankbar aufrichtet und einem sein Köpfchen entgegenstreckt, fast als würde es lächeln. Herzallerliebste Vögel badeten in der Tränke und plusterten ihr Gefieder. Die pure Lebenslust – und entzückt sah ich vom Fenster aus zu.

In gewisser Weise war ich zu einem Teil dieses Stücks Natur geworden. Einfach heimkommen und die Tür hinter mir schließen? Undenkbar. Erst noch musste, nein, WOLLTE ich mich um meine Mitbewohner im Grünen kümmern. Zu jeder Jahreszeit. Als erklärt luftiges Wesen spürte ich auf einmal festen Boden unter den Füßen, Flug und Erdung hatten sich zu einer wunderbaren Symbiose vereint. Nicht die schlechteste Erfahrung.

Als ich die ersten Nächte hier verbrachte, dachte ich, ich würde – ungeachtet der Außentemperaturen – die Fenster meines Schlafzimmers fest verschließen. Nun liege ich manchmal wach und lausche der nachtaktiven Natur. Ich brauche keinen Wetterbericht. Ich schaue aus dem Fenster und weiß, ob die Natur es eher gelassen angehen möchte oder sich austoben will. Ich erkenne es an dem Rhythmus, in dem sich die Blätter wiegen. Übrigens habe ich seit meinem Einzug noch nie die falsche Kleidung gewählt.

(2013)

6 Kommentare zu „Hausbewohnerin, inkl. Garten

  1. Ich kann es wirklich immer wieder schwer in Worte fassen, wie sehr mich Deine Gedanken ansprechen. Ich sitze gerade im Garten und empfinde Dankbarkeit für all diese Wunder um mich herum.

    Liebe Sonntagsgrüsse in Dein persönliches Paradies ♥️🌸

    Gefällt 1 Person

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