Vor einigen Jahren, es war kurz vor Heiligabend, da habe ich einen Tag erlebt, den man, würde man ihn in einem Weihnachtsfilm sehen, als von rührseligen Drehbuchautoren konstruiert bezeichen. Alles hat sich aber genau so zugetragen.
Es ging gegen den späten Nachmittag, ich hing noch in der Arbeit fest, meine Mutter war Stunden zuvor operiert geworden, dazu gab es eine Einladung zu einem besonderen Abend meines Freundes E. in Wien. Jedoch davor wollte ich Mama noch besuchen. Ich war in Hektik, denn die Aufwachstationen haben strenge Regeln, was Abläufe betrifft, und um das zu schaffen, musste ich ordentlich Tempo geben. Da war keine Zeit, sich über irgendetwas großartig Gedanken zu machen, ich lief auf Autopilot.
Schon die Fahrt auf der Autobahn, die dafür bekannt ist, ständig verstopft zu sein und sich immer irgendwo Autos ineinander verhaken, war ungewohnt reibungslos, ausnahmsweise drängelte niemand oder schlich vor einem her. Lauter freundliche Autofahrer, alleine das mag man als ein kleines Wunder bezeichnen in Anbetracht der Hektik des Vorweihnachtskaufrausches.
Angekommen in der Parkgarage, bekam ich einen Platz in der ersten Reihe, was ich sehr schätze, wenn ich weiß, dass ich in der Nacht dahin zurückkehren werde. Äußerst ungewöhnlich, war es doch zu einer Zeit, in der man auch mit einem roten „ALLE PARKPLÄTZE BESETZT“-Geblinke an der Einfahrt rechnen muss.
Schließlich ging es weiter zum Fahrkartenautomaten für die U-bahn. Hier sah es aus, als würde mein bislang ganz guter Zeitplan ins Stocken geraten, vor dem Ticketautomaten hatte sich eine lange Schlange gebildet. Seufzend zog ich mein Handy aus der Tasche, um die Uhrzeit zu checken, die Fahrt zum Spital war nicht gerade die kürzeste, als mir wer auf die Schulter tippte. Ich drehte mich um, und da stand ein junger Mann mit dunklen Locken, drückte mir genau den Fahrschein, den ich hätte lösen wollen, in die Hand und meinte: „Schenk ich dir, der ist gültig bis morgen, er würde sonst verfallen.“
Bevor ich noch den Mund aufmachen konnte, um mich zu bedanken oder ihm das Ticket zu bezahlen, war er bereits wieder verschwunden. Als hätte er sich in Staub aufgelöst. Zumindest fand ich die Zeit, einen Blick gen Himmel zu richten und ein „DANKE“ zu denken.
Auf der Fahrt in das Krankenhaus war ich dann doch ein wenig angespannt, weil die Besuchszeit langsam knapp wurde, ich aber umsteigen musste und in der Gegend, in der ich noch nie vorher war, vergeblich die Haltestelle für den Anschlussbus suchte.
Diesmal kam mir ein netter Maronibrater zu Hilfe, der hier seine duftenden Köstlichkeiten feilbot. Freundlich erklärte er mir den Weg so genau, dass ich ihn sofort fand, und obendrein war ich mit einer Tüte von ihm ausgestattet, sodass ich sogar zu einem kleinen Abendessen kam, was meinen knurrenden Magen, den ich in all der Aufregung ignoriert hatte, freute.
Im Bus saß mir gegenüber ein Großvater mit einem entzückenden Mädchen auf dem Schoß, welches mir während der gesamten Fahrt ein lächelndes Zwinkern ihrer riesengroßen dunklen Augen schenkte. Sie schaute mich unentwegt an, lächelte, wie ein kleiner Stern.
Meine Mama lag noch auf der Aufwachstation. Ich hatte nicht gewusst, dass dort Besuch generell untersagt ist, außerdem war die Zeit längst überschritten, und wie ich da flehenden Blickes vor der Pflegerin stand und ihr meine Lage erklärte, verschwand sie, um kurz darauf mit einem grünen Kittel zurückzukommen, in den sie mich einwickelte und mich meine Mama ein paar Minuten sehen ließ.
Wie schön und beruhigend es war, ein paar Worte mit ihr wechseln zu können und Gewissheit zu haben, dass es ihr gut ging und sie bestens versorgt war.
Schließlich endete dieser menschlich funkelnde Abend mit einem Lieder- und Lesungsabend meines Freundes E., inklusive netter Gäste in einem stimmungsvollen Rahmen und Künstlern auf der Bühne, die uns gefangen nahmen mit ihrem Talent in Worten und Tönen.
Als wäre das alles noch nicht genug – als wir zur Straßenbahn aufbrachen und uns wieder einmal suchend im Kreis drehten, sprach uns eine nette ältere Dame an, ob sie helfen kann.
Auf der Heimfahrt ließ ich all das Revue passieren und dachte bei mir: Du brauchst keine Weihnachtsfilme, um Leuten beim Wunder erleben zuschauen zu können.
Sie passieren. Jeden Tag. Man muss nur auf die leisen, subtilen Zwischentöne im Alltagstrubel achten, dann hört man vielleicht das sanfte Rauschen von Flügeln . . .