Heute schalten wir mal die Nachrichten und Pandemieupdates ab und wenden uns schönen Dingen zu. Setzt an zur Landung für eine kleine seelische Auszeit in Paris, wo wir uns nicht um Fallzahlen kümmern wollen.
Meine Damen (und Herren, die sich vom Thema angesprochen fühlen), ich denke, wir sind uns einig, dass unsere Kleiderschränke einfach viel zu viel Inhalt haben, von dem wir sowieso nur ausgewählte Lieblinge tragen. Abgesehen von der Überfüllung geht es auch um den Nachhaltigkeitsgedanken. Wieviele Kleidungsstücke brauchen wir wirklich, um eine solide, auch abwechslungsreiche Garderobe zu tragen?
Ich habe es mit Ausmisten probiert, Ordnungssystemen, eine Farb- und Typberatung gemacht usw. Das war zumindest ein guter Anfang. Den Ausschlag gab aber ein Buch mit dem Titel: „Dress like a Parisian“ von Alois Guinot. Sie beschreibt sich als Pariserin mit Leib und Seele, hat am Institut Francais Mode studiert, arbeitet als Trendscout, Personal Shopper und Style Coach. Sie stellt die kesse Frage: „Haben die Pariserinnen wirklich dieses gewisse: „Je ne sais quoi?“ Dabei geht es weder um aufgedonnert sein wie eine Dragqueen, noch ums Übertreiben oder jeden Trend mitmachen. Im Gegenteil – und das war, was ich aus dem Buch mitgenommen habe: die Schlichtheit einer Garderobe. *Off topic: Wie bei sovielen Themen, die ernsten Hintergrund (in dem Fall Kleiderdetox) haben, öffnet man sich ihnen eher, wenn es einen positiv triggert als über den erhobenen Zeigefinger.*
Die Französinnen schwören auf klassisch zeitlose Bascis, die sie mit auffälligen Accessoires aufpeppen. Das sind gut sitzende Jeans und Zigarettenhosen, die weiße Bluse (oder Tshirt), alles möglichst unifarben, der Blazer, der Trenchcoat, die Pumps. Gepimpt wird mit einem roten Lippenstift oder Nagellack, einem bunten Schal oder Tuch und einer Handtasche, die Blicke auf sich zieht. Die Pariserin versteht es, dass sie die Kleidung trägt und nicht umgekehrt. Das erschien einfach! Ich entsorgte alle Trendstücke, die gerade mal eine Saison überlebt hatten und mir sowieso nie standen, schlichtete den Rest nach Farben und stellte mir die Basisgarderobe zusammen.
Im Buch werden aber auch die Themen Haare, Brillen, Make-up etc angesprochen. Die Frau mit Stil färbt kein Blond, das künstlich aussieht oder türmt sich die Haare mit Spray auf, dass es ozonlochgefährdend wird, sie bemalt sich nicht wie ein Clown und weiß, dass man sich an Strasssteinchen auf der zuckerlrosa Brille schnell sattgesehen hat. Lieber ein klassisches Modell aus Metall, schwarz oder Schildpatt wählen. Die Parisian trägt ihr Haar, als wäre es natürlich „ungemacht“, und sie trägt entweder Lippenstift oder betonte Augen. Ebenso wie sie Schulter, Knöchel oder Handgelenk zeigt, möglicherweise gar einen Ausschnitt – nur nicht gleichzeitig. Es war ein sinnliches Vergnügen, dieses Buch zu lesen, die Fotos, der humorvolle Schreibstil der Autorin, die Kreativität und die Ästhetik – und seitdem lagern in meinem Schrank keine wertlosen Fähnchen mehr, die eh bloß Ladenhüter waren im Sale. Ich kaufe mit Blick auf (meinen) zeitlosen Stil und gerade deshalb nachhaltig.
Allerdings wenn man dann mal ein Keypiece zur Schau trägt, dann mit Selbstbewusstsein, das darf knallen. Dann steht wirklich der Blouson mit wildem Tropenpflanzenprint in schillerenden Farben im Vordergrund. Aber nur für den Anlass. Danach schlüpft Frau von Welt wieder in ihre klassische, aber niemals langweilige Alltagsgarderobe.
Denn sie weiß, sie braucht keine Verkleidung, um zu punkten. Kreativ, bunt, wild und verspielt ist sie innen drin. Nicht nur die Parisian…