Seine Angst ließ sich kaum in Worte fassen. Er hatte in den Bergen schon eine Menge erlebt und keine Naturgewalt war ihm fremd. Als er jedoch beobachten musste, wie ihre Kräfte schwanden und ihr Wille nachließ, da drohte ihn die Panik zu übermannen.
Er wollte sie motivieren, packte sie grob am Arm, zerrte sie hinter sich her – sie aber fiel mehr, als dass sie ging. Er schrie sie an, hoffte, dadurch ihre Widerspenstigkeit zu wecken, doch sie war zu schwach. Auf einmal spürte er keinerlei Gegengewicht mehr an seinem Arm. Er drehte sich um und sah sie in dem Moment zu Boden sinken. Ihre Haut wirkte unnatürlich blass, ihre Lippen waren blau.
Verzweifelt versuchte er abzuschätzen, wie weit es noch bis zu seinem Blockhaus war. Er blickte sich um und betete, dass irgendjemand des Weges kommen möge … aber sie waren mutterseelenallein in der Natur, die urplötzlich all ihre Kraft entfesselt zu haben schien.
Er kniete sich neben sie und versuchte, sie aus ihrer Ohnmacht zu reißen – erfolglos. Sie konnte – sie wollte – nicht mehr weiter; ihr Körper protestierte gegen die Kälte und die Anstrengung. Er überlegte nicht lange, hob sie vom Boden und kämpfte sich gegen Sturm und Regen vorwärts.
Nach einer Zeit, die ihm endlos vorkam, sah er den Weg zu seiner Hütte neben sich auftauchen. Aufgrund seiner Erschöpfung fürchtete er allerdings, zu halluzinieren. Er spürte seine Arme nicht mehr – obgleich sie einen zierlichen Körper hatte, verließ auch ihn allmählich die Kraft.
Fast wäre er an dem Weg vorbeigelaufen, doch auf einmal war ihm, als würde er inmitten des tosenden Graus, das inzwischen in die Abenddämmerung übergehen wollte, ein schwaches Leuchten wahrnehmen. Verlor er den Verstand? Man hatte von solchen Phänomenen bei Menschen in Bergnot bereits gehört.
Dann jedoch fand er sich auf dem Weg zu seinem Haus wieder. Als er sich noch einmal umwandte, meinte er, die Gestalt eines Mannes im Nebel verschwinden zu sehen. Aber nun war nicht die Zeit, lange Überlegungen anzustellen, denn er musste die Frau in seinen Armen in die Wärme schaffen – in den Schutz seiner Mauern.