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Miley Cyrus

Ich sehe euer staunendes Gesicht vor mir, was um alles in der Welt mich bewegt, über diese junge Frau zu schreiben.
Vielen wird dazu ihre Rolle der Hannah Montana einfallen, die sie zum gefeierten Kinderstar machte. Ein Los, das seinen Preis hat, beobachtet man diese jungen Talente in ihrem Erwachsenenleben. Stabile Persönlichkeiten sind da eher die Ausnahme. Unvergesslich ihr rebellischer Rundumschlag, mit abgeschorenen Haaren und rausgestreckter Zunge nackt auf einer Abrissbirne zu schaukeln. Hat ihr trotz großartigem Lied viel Häme eingebracht. Anderen wieder fällt sie, und das leider nicht sehr positiv, durch ihre Schlagzeilen auf, eine unschöne Trennung von der großen Liebe Liam Hemsworth, ihr Spiel mit ihrer Sexualität und ihrer plakativen Art zu provozieren. Ja, manchmal will man sie einfach an der Hand nehmen und sagen, komm, pack deine Brüste und deine Zunge ein, dämpf die Zigarette aus und hör auf, in derben Sprüchen um dich zu schlagen, dein Talent reicht völlig, Menschen in deinen Bann zu ziehen.

Ich glaube nämlich, dass Miley eine verkannte und zu Unrecht belächelte großartige Künstlerin ist. Als Tochter des Countrysängers Billy Ray Cyrus („Achy Breaky Heart“) wurde ihr die Musikalität praktisch in die Wiege gelegt. Sie wuchs in einem Ambiente der Bohème auf, über die Patentochter von Dolly Parton sagt man, dass sie schon als kleines Mädchen eine Stimme wie eine reife Diva hatte, dunkel und rauchig – ihr Timbre ist unvergleichlich. Bis heute. Eine Stimmbandoperation im letzten Jahr hat diesen Effekt bloß noch verstärkt und sie um noch eine Nuance tiefer gelegt.

Mileys Stimme kennt man unter tausenden heraus, ihr Wiedererkennungswert ist riesig groß. Wenn sie eine Nummer rockt, dann rockt die wirklich. Sie kann einen „Dreck“ in die Stimme legen, die dann rotzfrech und rebellisch klingt. Aber wenn sie berühren will, die leisen Töne anschlägt, dann ist man ihr hilflos ausgeliefert. An der Stelle will ich das Lied „Miss you so much“ erwähnen. Bei dem Lied kann man sterben.
Blondie, The Cranberries, The Beatles, Paul Simon – Miley covert sie alle und macht daraus ihren Song, als hätte er ihr schon immer gehört. Anspieltipps: „Heart of Glass“, „Fifty ways to leave your Lover“, „Zombie“.
Aber auch ihre eigenen sind absolut hörenswert, kraftvoll, dann wieder lieblich, gefühlsschwanger, frech: „Wrecking Ball“, „Malibu“, „Slide away“, „Angel like you“.
Wenn möglich, wählt Live-Versionen, ohne durch Studioregler zu laufen klingt Miley am allerbesten.
Was viele nicht wissen, Mileys kleine Schwester Norah Cyrus singt ebenfalls, wurde sogar für einen Grammy nominiert. Schwesternkrieg? Nein. Sondern ein wunderschönes Duett: „I got so high that I saw Jesus“.
Mileys letzte MTV Unplugged Sessions waren sowieso eine Klasse für sich.

Vor kurzem schrieb eine Musikkritikerin über sie, und die Kolumne gefiel mir. Sie meinte, man solle sie nicht nur auf ihre exhibitionistische Art zu rebellieren reduzieren, man solle sie eher dafür feiern, dass Miley uns in Zeiten einer tristen Pandemie mit ihrer Frisur, den Kleidern und all dem Glitzer auf ihren Augen den Glam Rock zurück bringt.
Und wenn wir ehrlich sind: haben sich ein David Bowie oder Mick Jagger nicht auch ausgelebt, ausprobiert? Iman, Bowies Ehefrau, meinte in einem Interview, dass ihr Mann der größte Stubenhocker aller Zeiten gewesen wäre. Sie sprach von DAVID BOWIE, dem größten Pop-Chamäleon aller Zeiten? Ihre Antwort lautete: weil es einfach keine Party gab, die er nicht gefeiert hätte. Und das irgendwann nicht mehr brauchte oder suchte.
Aber das waren Männer, denen verzeiht man schneller, wenn sie sich ausleben und die Welt und das Leben konsumieren. Frauen bringt das maximal eine schlechte Nachrede ein.

Was viele Leute an Miley verstört, ist ihre Art, der Welt ihre Gefühle ins Gesicht zu schleudern. Und davon scheint sie Unmengen zu speichern. Ihre Wege, damit umzugehen, das alles zu kanalisieren, wirkt, als würde ein trotziger Teenager sich ereifern und austoben, was dazu führt, dass sie nicht für voll genommen wird, sich fiese Kommentare einfängt. Nach außen scheint sie das mit dem ausgestreckten Mittelfinger wegzustecken, in ihr Inneres will ich nicht blicken. Ich kann ihre ganze Verletzlichkeit und Sensibilität nur erahnen.

Aber warum habe ich ihr jetzt einen Blogeintrag gewidmet? Ich bin Fan ihrer Stimme, ihrer Frisur, ihrer bunten Bühnenoutfits, ihrer grenzenlosen Hundeliebe und ihrer ungefilterten Art, Drama zu erzeugen. Miley mit ihrer Klangfarbe ist für mich gerade die Beste unter den weiblichen Popstars, weil sie nicht glatt ist und bis ins hohe C trällert, wie soviele, die einem mit den schrillen Tönen die Trommelfelle malträtieren. Miley ist PUR beim Singen.

Aber da gab es noch etwas. Sie hatte bei der heurigen Super Bowl einen Live-Auftritt, wo sie für geimpftes Gesundheitspersonal sang. Eigentlich war sie der Nebenact, The Weeknd, momentaner Megastar war der Halbzeitentertainer, geschrieben haben sie danach nur über sie. Über ihre Songs, ihre alten Hasen von Bühnenpartnern, ihre Tränen bei Wrecking Ball, das Lied für Liam, wie man munkelt. Ihr dabei ins Mikro gerufenes „Es wird einfach nicht leichter“, das sie mit der Welt teilt und sich auf einmal ganz viele die Augen wischten. Wer war noch mal The Weeknd?
Ich habe mir ihren Auftritt angesehen und ich bin plötzlich im Frühling gelandet, in den Sommerferien meiner Jugend, lag auf einmal in der Sonne mit meinem Mickymouse T-Shirt von damals und hörte wie ein fernes Hintergrundrauschen „Sweet sixteen“ von Billy Idol. In dem Augenblick wusste ich, dass ich diesen Eintrag schreiben würde.

Danke Miley, für diesen Moment. Der glitzert heute noch.

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