Gedankensplitter

Weihnachten in der Greißlerei

Ich bin in einer Greißlerei groß geworden. Advent und Weihnachten rufen deshalb immer köstliche Kindheitserinnerungen wach. Diese Zeit war intensiv, spannender als der Rest des Jahres. Wenn man es mit heute vergleicht und dem Dekorationswahnsinn in den Einkaufsmeilen, dann war es schlicht, fast rührend einfach.

Meistens gehe ich diesem Weihnachtstrubel aus dem Weg. Es kann sich irgendwie nicht messen mit der Anmut, die die Adventszeit in den Geschäften hatte, die Festlichkeit und die Vorfreude. Da gab es keine trällernde Jingle Bells-Beschallung, keine LED-beleuchteten Weihnachtsmänner, da waren Strohsterne in, wer modern war, hatte schon silberfarbenes Lametta.

Unser kleines Geschäft war von zwei Neonröhren beleuchtet, und an denen befestigte Mama ihre sorgsam gehütete Weihnachtsdeko. An einem einfachen Haken hingen goldenen Schnüre runter, die haben mich fasziniert. Wenn man mit der Hand darüber strich, waren sie so weich, wie Engelshaar. Zwei Stück, an jede Lampe eins, das war alles. Und solange ich denken kann, jedes Jahr das gleiche. Da kam nichts dazu. Die Leute bestellten Weißbrot und Schinken, im Geschäft war mehr los als sonst, und die Weihnachtsnaschereien, die man bereits im Frühling auf einer eigens dafür organisierten Ausstellung bestellt hat, lagen in der Mitte des Geschäftslokals in Reih und Glied nebeneinander. Mama hat sie per Stück mit einer kleinen Schaufel in Tüten eingefüllt. Meine Eltern haben jeden einzelnen Kunden beim Namen gekannt und ihm ein frohes Fest gewünscht. Der Stress dauerte bis zum Mittag des Heiligen Abends, und trotzdem waren wir alle schließlich festlich gekleidet und erwarteten das Christkind.

Unser Christbaum. Mama hat nicht jedes Jahr in der  Trendfarbe dekoriert, der Baum sah jedes Jahr geich aus, und das war das geborgenste, heimeligste und wunderschönste Weihnachtsgefühl, das man als Kind haben konnte. Das Menü zum Heiligen Abend haben wir, glaube ich, letztes Jahr zum ersten Mal geändert. Manche Kugeln meiner Kindheit hängen wir heute noch auf. Wenn ich in eine reinschaue, dann sehe ich im silbernen Spiegelbild mich als Kind, das am 24. Dezember mit Schmetterlingen im Bauch aufwachte, wissend, der Wunschzettel ist weg. Ich erinnere mich an einen mit dieser wunderschönen Puppe mit dem weichen Körper und den blonden Locken in einer roten Wiege aus Holz. Meine Freude war grenzenlos und überdauerte noch Ostern. Mindestens. Papa hat mir erzählt, um Mitternacht könnten die Tiere reden, mein Hund und unsere Katze wollten aber anscheinend nicht.

Ich liebe Weihnachten. Weil sich dieses Gefühl jedes Jahr hervorholen lässt. Wie die Kugeln aus dem Keller.  Alles riecht und duftet dann nach Weihnachten anno Kindheit.

Das alles würde ich den Verkäuferinnen, die gelangweilt zwischen explodierendem Glitzerrausch bis zum Ladenschluß ausharren müssen und fadisiert die tausendste Christbaumkugel übers Laufband ziehen, erzählen. Was es einmal war, in einem Geschäft Weihnachten zu erleben, wo alles „gelebt“ hat …

4 Kommentare zu „Weihnachten in der Greißlerei

    1. Es freut mich, dass es hier einige Menschen gibt, die auch in einem Geschäft ihre Kindheit verbracht haben, die kennen diesen Zauber auch. Der ist nämlich ganz eigen und besonders. Auch dir schöne Feiertage!

      Like

  1. Das die Tiere sprechen können wurde mir auch erzählt, was war ich froh, als unsere Katzen stumm blieben.
    War schön damals, nicht so laut und aufdringlich.
    Wir besuchten als Kinder immer am Weihnachtstag mit unseren Vater eine Tante.
    Na ja, die Tante war schon sehr alt und beim Verabschieden wollte sich jeder vor dem obligatorischen Bussl drücken.
    Das Highlight war aber schon bei der Hinfahrt, da zählten wir um die Wette, jeder auf seiner Seite, die beleuchteten Christbäume.
    Inzwischen schmückte unsere Mutter den Baum Zuhause.
    Jedes Jahr die gleiche Fahrt, bis die Tante starb.
    Unspektakulär Schön ist meine Erinnerung daran.
    Letzten 24 Dezember musste ich leider nochmal sehr früh geschäftlich nach Wien.
    Da war ein durchgehender Stau, von Wien raus, bis zur Grenze.
    Sowas hab ich noch nie vorher gesehen.
    Da ist es sehr schön deinen Text zu lesen.
    Sich zu erinnern, das man
    auch mal vor dem Christbaum so ein Leuchten in den Augen hatte.

    Gefällt 1 Person

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s